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Joshua Sobol hat in den Achtzigern mit dem musical-theatralischen Zeitdrama "Ghetto" eine Menge Bühnenstaub aufgewirbelt. Der Staub hat sich gelegt, die Unbequemlichkeit der Thematik keineswegs. Die letzten Tage im litauischen Ghetto Wilna werden nun auch im Tiroler Landestheater in Innsbruck zum Mikrokosmos einer ums Überleben kämpfenden Gesellschaft, die in messerscharfen Psychogrammen entmythisiert wird. Im Mittelpunkt die Frage: Wie weit dürfen Opfer mit ihren Peinigern paktieren, um Mitmenschen zu retten?

Tragische Zentralfigur ist der innerlich zerrissene Jude Jakob Gens (ein großartiger Norbert Aberle), vom kunstsinnigen SS-Schergen Kittel (Hermann Wenning) zum Ghettoleiter ernannt. Seine makabre Überlebensstrategie: Theater, Gesang, (blutig-greller) Humor - ein Horrorszenario, um Leben zu verlängern.

Das Stück wird von Regisseur Dietrich W. Hübsch als Theater der Kontroverse und Diskussion grausig ergreifend, aber perfekt, in Witz und Blut getaucht. Mit einem Großaufgebot an erstklassigen Mitwirkenden geht es um die Unentrinnbarkeit menschlichen Handelns in Todesnot und um die irritierende Symbiose zwischen Opfer und Mörder. Da schachert Gens mit Kittel um das Hinschlachten von Juden, ein gieriger Kriegsgewinnler (Günter Lieder) schlägt aus dem Grauen Profit, der Widerständler Kruk (Walter Ludwig) gönnt sich den Hochmut reinen Gewissens, während Srulik (Peter Zimmermann) via Marionettenpuppe (Bravo, Sabine Podlaha!) freche Wahrheiten bis zum Letzten ausreizt.

Ein tief beklemmendes Spiel, vor dem einige Zuschauer schon während der Pause Reißaus nehmen. Sobols Kommentar: "Ich hab' eine lebendige Gemeinschaft porträtiert, keine Versammlung von Heiligen."

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