Die "Lust am Text" in der Burgenländischen Landesgalerie.
Was macht ein Mensch, wenn die im Computer vorgegebene Auswahl an Schriftarten nicht ausreicht und wenn der Mensch daher seine Poetiken in mehr oder minder extravaganten Schriftbildern präsentiert? Der Mensch macht "visuelle Poesie". Eine Kunstgattung, die von der bildenden Kunst und der Literatur profitiert. Nennt man sie "konkrete Literatur", so liegt die größere Bedeutung auf Seiten des Textes, steht die bildhafte Präsentation im Vordergrund, spricht man von visueller Poesie. In der Rede von der Lingualisierung der bildenden Kunst und der Ikonisierung der Sprache erkennt man die tiefe Wechselwirkung dieser beiden Ausdrucksformen des Menschen.
In der von Eva Maltrovsky äußerst anregend zusammengestellten Schau in der Burgenländischen Landesgalerie kann der Mensch anhand von neun Positionen der Experimentierlust mit Tiefgang, die dieses Genre hierzulande zu bieten hat, nachgehen. Bücher hängen von der Decke, der Stuhl des Philosophen wandert in Bruch- oder Zusammensetzstücken vom Boden auf die Wand - oder ist es umgekehrt? -, ein roter Hieroglyphensee verlockt mit seiner Ungewissheit, Buchstabenverdichtungen schwärzen sich zu malerischen Strukturen zusammen, Plexiglaszacken durchschneiden die Blickrichtung und Plakate betreiben ihre witzig mehrdeutigen Werbebotschaften. "Extreme Zeiten erfordern extreme Leistungen. Werden Sie Extremist!" Ein pikantes Spiel mit semantischen Mehrdeutigkeiten der sonst so klaren Sprache. Ergänzt durch Bildbotschaften, die einerseits durch die in Reih und Glied versammelten Hühner an die Architektur von Legebatterien und Schreibtischkojen in Callcentern oder Großraumbüros denken lässt, andererseits durch die schematisierten Menschendarstellungen die Assoziation von fein geschnittenen Präparaten für das Mikroskop aufdrängt.
Was bleibt dem Menschen da anderes übrig, als den Aufruf anzunehmen. Zumindest um anhand der anderen versammelten Objekte, sich den Untersuchungen jenes Grundmaterials hinzugeben, das uns Menschen erst zum Menschen macht. Von der Analyse einzelner Buchstaben bis hin zu komplexen Erzählungen in Wort und Bild reicht dabei die Palette.
Die Lust am Text
Burgenländische Landesgalerie,
Esterházyplatz 5, 7000 Eisenstadt
www.burgenland.at/landesgalerie
Bis 24. 12., Di-Sa 9-17, So 10-17 Uhr
Begleitbuch: Eva Maltrovsky, Die Lust am Text in der bildenden Kunst.
Frankfurt/Main 2004, 226 S, e 45,50
