Blutiger Alptraum

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Wiener Festwochen: Sarah Kanes Schocker "Gesäubert".

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Wiener Festwochen: Sarah Kanes Schocker "Gesäubert".

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In der ersten Szene von Sarah Kanes Stück "Gesäubert", dessen Autorin Selbstmord begangen hat und das in Peter Zadeks Inszenierung bei den Wiener Festwochen im Theater in der Josefstadt zu sehen war, drückt sich ein junger Mann mit einer Nadel Heroin in den Augenwinkel und stirbt an der Überdosis.

Die nächste zeigt zwei homosexuelle Männer, die einander ihre Liebe gestehen. In der dritten Szene findet sich in einer Klinik Grace ein, die ihren am Beginn verstorbenen Bruder sucht. Am Ende wird sie sich selbst in diesen verwandelt haben, seine Kleider und ein angenähtes männliches Geschlechtsteil tragen. Dazwischen liegt ein blutiger Alptraum voller Grausamkeiten von Folterungen, Verstümmelungen bis Selbstmord. Im blaßgrünen Fliesenraum von Peter Pabst exekutiert Zadek das Geschehen mit der Unerbitterlichkeit eines Uhrwerks, gleich dem Stundenschlag durchbrochen von Schmerzensschreien. Eine der Schlüsselfiguren ist der Dealer/Doktor, auch Tinker genannt. Von Ulrich Mühe verkörpert, ist er eine Art angsteinflößender Wärter oder Exekutor gesellschaftlicher Repressalien. Er straft nicht wahllos, sondern dort, wo es eine Lebens- und Liebeschance geben könnte, wie zum Beispiel bei Robin (August Diehl), der sich in Grace verliebt und ihr Pralinen schenken will. Tinker stopft sie ihm in den Mund, bis er sich vor Angst naß macht. Danach greift der Junge zum Strick.

Carl, der jüngere der beiden Homosexuellen, ist Tinkers bevorzugtes Opfer. Wie Carl (Philipp Hochmair), ohne Zunge, Hände und Füße, und Rod (Knut Koch) sich noch aneinander klammern, zeigt, daß es auch um etwas anderes geht als um Gewalt. Es scheint fast logisch, wenn dann der Doktor Rod die Kehle durchschneidet. "Liebe mich oder töte mich", sagt auch die von Susanne Lothar mit berührender Ernsthaftigkeit gespielte Grace, bevor sie mit ihrem toten Bruder schläft (verschmilzt). Es gibt nur das eine oder andere in diesem Stück - bis zur letzten Konsequenz.

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