Bürgers Pomp

19451960198020002020

Die Ausstellung "Der Shawl in der Malerei des Biedermeier" in der Salzburger Residenzgalerie: ein Mode-Boom von gestern.

19451960198020002020

Die Ausstellung "Der Shawl in der Malerei des Biedermeier" in der Salzburger Residenzgalerie: ein Mode-Boom von gestern.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Dame blickt mit behäbiger Selbstzufriedenheit auf die Betrachter. Seide und Spitze bedecken in reichen Falten die üppige Gestalt, füllen das Bild bis an den Rand. Schmuckstücke zieren jede sich bietende Gewandfalte. Ein prächtiger Cashmere-Shawl ist das i-Tüpfelchen auf dieser Allegorie auf das zu Geld gekommene Bürgertum: Allein anhand des Porträts "Bildnis Barbara Meyer - Gastwirtin", von Johann Baptist Reiter kann ein reizvolles Kapitel der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Biedermeiers erzählt und das Konzept der Ausstellung "Cashmere - Der Shawl in der Malerei des Biedermeier" in der Residenzgalerie Salzburg erklärt werden.

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gehörte der Cashmere-Shawl als Status-Symbol zur Ausstattung der Dame von Stand: Die kostbare Bauchwolle der Kaschmir-Ziege, aufwändige Verarbeitung (3.000 bis 5.000 Fäden), weiter Transportweg - ein Cashmere-Shawl trug (und trägt heute in Zeiten des Pashmina-Wahns wieder) alle Merkmale eines Prestige-Objekts. Um das Geld für einen Long-Shawl (Länge: drei Meter) hätte der Herr des Hauses einst auch einen Landauer für seinen Fuhrpark bekommen ...

Eine Trendsetterin war die französische Kaiserin Josephine: Ihr schickte 1798 Bräutigam Napoleon einen Cashmere-Shawl aus Ägypten. Dessen zweite Gattin, Marie Louise, erhielt zur Verlobung 1810 einen Korb mit gleich 17 Shawls. Sofern sie nach Abflauen des Cashmere-Booms um 1840 nicht zu Morgenröcken oder Klavierdecken umfunktioniert wurden, bilden solche Schätze den Kern so mancher Cashmere-Bestände in den Museen.

Das Bürgertum gewann im Biedermeier soziale und wirtschaftliche Bedeutung. Das neue Selbstbewusstsein schlug sich auch in unzähligen Bürger-Porträts nieder: Säulen, drapierter Damast, idealistische Landschaften im Hintergrund - die ganze barocke Pathosformel hinter Schneidermeistern und Wirtinnen? Warum nicht, wenn für den Porträtisten die Kasse stimmte? Einen Künstler konnte ein reicher Bürger leichter bezahlen als einen echten Cashmere-Shawl für die Gemahlin ...

Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wurde mit Cashmere-Kopien aus Seide und feiner Merinowolle gefüllt. Farben und Muster waren den exotischen Originalen nachempfunden. Bald wurden charakteristische Ornamente wie das Palmblatt-Motiv mit zeitgenössischen Entwürfen verbunden, etwa im berühmten Paisley-Muster, der Imitation eines traditionellen Musters mit Pinien-Zapfen. Allein in Wien wurden um 1823 auf 4.000 Webstühlen aus-schließlich Shawls erzeugt.

Die Residenzgalerie zeigt neben Portraits von Waldmüller, Amerling, Ender, Kupelwieser auch Cashmere-Shawls und Sitzmöbel mit Cashmere-Bezug aus den Beständen des Museums Carolino Augusteum. Die Miniaturen von Modezeichnern, die etwa der "Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur und Mode" beigelegt wurden, bieten einen Eindruck von der "Mode-Szene" des Biedermeiers. Muster-Entwürfe aus der Wiener Manufakturzeichenschule oder Stoff-Proben ergänzen diese umfassende, anregend und ambitioniert präsentierte Ausstellung.

Bis 4. Februar 2001 Die Residenzgalerie Salzburg zeigt eine Sonderausstellung über das Luxusprodukt Cashmere: Status-Symbol, Wirtschaftsfaktor und Bildmotiv im Biedermeier

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung