Das Leben als Verlust

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In ihrem zweiten Roman, "Für euch, die ihr träumt", verwebt die Südtiroler Autorin Birgit Unterholzner die Lebensgeschichten dreier Frauen: Marilena, unglücklich in ihrer Ehe, trauert ihrer großen Liebe, dem Isländer Bjarki, nach und hat, gleich wie die Afrikanerin Lelee, den Verlust eines Kindes zu verkraften. Lelee wiederum hat die Flucht aus Äthiopien über das Mittelmeer überlebt, nur um mit der Brutalität des Lebens als illegaler Flüchtling in Europa konfrontiert zu werden - ein Thema, das nicht erst durch die jüngste Katastrophe vor der Insel Lampedusa traurige Aktualität bekommen hat. Nirgendwo zuhause, ist sie skrupellosen Zuhältern ausgeliefert. In diesem Zustand der Rechtelosigkeit hat sie nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Ausbeutung oder Abschiebung. Die Dritte im Bunde ist Regine, Marilenas pflegebedürftige Tante, deren Versorgung Lelee übernimmt, und die in ihrer Boshaftigkeit doch etwas überzeichnet wirkt.

Empörung der Autorin

Unterholzner hat ein gutes Gespür für aktuelle Themen, die sie im Kleinen und Alltäglichen abzubilden versucht, was ihr auch durchaus gelingt. Der Verweis auf Alice Munro, von Bjarki als eine seiner Lieblingsautorinnen bezeichnet, ist in diesem Kontext kein zufälliger. Die Enge von weiblichen Lebensentwürfen zwischen Hausarbeit, Kindern und Pflegeaufgaben, die Ausbruchsversuche, die provinzielle Engstirnigkeit: Auch darin lassen sich Parallelen zur Nobelpreisträgerin ziehen. Allein, Unterholzners Sprache ist stellenweise holprig und zu bemüht poetisch. Darin besteht überhaupt das Problem des Romans: Es fehlt ihm an Leichtigkeit, die Konstruktionslinien scheinen immer wieder durch, leider ungewollt, nicht in Brecht'scher Manier. Auch inhaltlich ist der Text deutlich überfrachtet, was er gar nicht nötig hätte. Die afrikanische Flüchtlingswelle, Diktaturen und Krieg, die Pflegeproblematik, Prostitution, moderne Sklaverei, männliche Gewalt und so weiter: Man hört die Empörung der Autorin heraus, wo das Engagement doch durch die geschickt arrangierte Geschichte selbst schon Entfaltung findet. Eine Konzentration auf weniger Handlungsstränge und eine stärkere Fokussierung hätten dem Roman gutgetan. Vielschichtigkeit entsteht nicht durch die Summierung möglichst vieler Themen. Ökonomie, gerade das gilt es von Alice Munro zu lernen. Nichtsdestotrotz, die verschiedenen Perspektiven erhöhen die Komplexität und machen den Roman kurzweilig. Unterholzner kann getrost ein wenig mehr Vertrauen in den eigenen Text haben. Seine Potenziale entfalten sich ganz von allein.

Für euch, die ihr träumt

Von Birgit Unterholzner

Edition Laurin 2013.

320 Seiten, gebunden, € 19,90

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