Anhand einer wahren Begebenheit thematisiert Anna Kim in „Geschichte eines Kindes“ alltäglichen Rassismus, defizitäre Mutter-Kind-Beziehungen und die gefährliche Aufladung biologistischer Herkunftsnarrative.
Radka Denemarková legt in "Ein Beitrag zur Geschichte der Freude" die
gesellschaftlichen Strukturen frei, die Gewalt an Frauen begünstigen
-ein nicht nur am Internationalen Frauentag relevantes Thema.
Ein junger Mann verliebt sich in eine ältere, verheiratete Frau. Um sie zu erobern, verliert er in neun Wochen fünfzehn Kilo und schließlich seine Unschuld, verspricht der Klappentext. Klingt nach einer Mischung aus "Lolita" und "Mrs. Robinson". Ist es aber nicht, denn der Urheber des Textes ist ein gewisser Wolf Haas, den meisten als Schöpfer des schrulligen Detektivs Simon Brenner bekannt. Und so ist der titelgebende junge Mann zwölf, aufgrund übermäßigen Trostsüßigkeitenkonsums nach einem Beinbruch im Kleinkindalter stark übergewichtig, obendrein wird er auch noch oft für ein
Lesen gehört zu den am meisten unterschätzten Fähigkeiten überhaupt, man meint, sobald man es einmal gelernt hat, geht es von selbst. Das mag stimmen, doch Lesen ist auch etwas, das man trainieren und verfeinern kann. Dazu braucht es Literatur, die einen fordert, die neue Wege einschlägt und den Leser zwingt, es ihr gleichzutun. Das ist zu Beginn etwas anstrengend, aber es lohnt sich. In einer Zeit, in der Algorithmen unseren Geschmack vermessen und uns immer mehr vom Gleichen servieren -Musik, Filme und eben auch Bücher -wird man immer seltener mit Neuem konfrontiert, mit Dingen, die
Benjamin ist 24, angehender Arzt, in der Nacht defibrilliert er für ein Forschungsprojekt Schweine im Krankenhauskeller, tagsüber absolviert er ein paar Stockwerke höher ein Praktikum auf der Onkologie. Gleich bei Dienstantritt erfolgt der erste Schock, als er seine Jugendliebe unter den Patienten entdeckt. Ambros heißt Benjamins Ex-Freund, er hat ein Melanom am linken Schulterblatt, Metastasen im ganzen Körper, "Clark Level IV, pT3aN0M1" nennt sich das in der Fachsprache, "kurz: Scheißprognose" nennt es Benjamin, der nun in die unangenehme Situation kommt, Arzt und Angehöriger
Ein großer Sympathieträger ist er nicht. Frank Theves ist Talkshow-Moderator, bekannt dafür, seine Gäste in die Enge zu treiben und dann blitzschnell auflaufen zu lassen. Viele Freunde macht er sich so nicht, allein, beim Publikum kommt es an. Mit seinem provokativen Interviewstil kommt er unbeschadet durch, bis er in einer Sendung die These aufstellt, das an jungen Männern ausgerichtete Schönheitsideal schwuler Modeschöpfer sei für die sogenannten Magermodels verantwortlich. Daraufhin bekommt er von den Pink Panthers, einer Schwuleninitiative, den Giftigen Kaktus für die
Eros und Thanatos, der Lebens-und der Todestrieb, motivieren nach Freud unbewusst unsere Empfindungen und Handlungen. Ein archaisches Modell - und archaisch gibt sich auch Tanja Paars Debütroman "Die Unversehrten", in dem diese beiden Gegensätze als strukturierende Achsen installiert werden.Dabei beginnt es zunächst recht zivilisiert. "Eine Beziehung auf Armlänge. Sie entsprach ihrem Wesen." Die Rede ist von Violante und Martin, die eine Fernbeziehung führen. Dass Martin nicht treu ist, stört Violante scheinbar wenig. Sex sei für ihn so bedeutungslos wie Zähneputzen. Große Eifersucht
Will Clemens Setz die zufällige Montage seiner Notizversatzstücke tatsächlich in der kostbaren Kategorie absichtslos entstandener Kunst verortet wissen?Ein "Bot", so lernt man in der Online-Enzyklopädie Wikipedia, (ja natürlich, wo sonst), ist "ein Computerprogramm, das weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeitet, ohne dabei auf eine Interaktion mit einem menschlichen Benutzer angewiesen zu sein". Einen solchen "Bot", abgeleitet von "Roboter", hat Clemens J. Setz bemüßigt, und zwar ausgerechnet dazu, um Auskunft zu geben über sich selbst. "Bot. Gespräch ohne Autor"
"Geiger macht es dem Leser etwas einfach, denn fanatischen Nationalsozialismus findet man bei den Erzählstimmen nicht (und auch sonst kaum). Sie sind alle auf ihre Weise Opfer des Regimes."Arno Geiger hat sich dem Erleben des Individuums und dem Alltäglichen verschrieben. Sein letzter Roman "Selbstporträt mit Flusspferd" war eine etwas banal geratenen Fingerübung über einen jungen, selbstzentrierten Mann, dem nichts sonderlich Aufregendes passierte. Sein neuer Roman "Unter der Drachenwand" hat das Erleben des Einzelnen im Zweiten Weltkrieg zum Thema, ein zwangsläufig politisches Thema,
"Agatha Christie ist heute eine Ikone. Mit ihrem Namen wird verkauft, wofür sie mittlerweile steht: Nostalgie, Behaglichkeit und Good Old Britishness.""Nichts ist erschreckender als der geschlossene Raum. Es sind kleine Verbrechen, die aus privaten Tragödien erwachsen, das Gewöhnliche macht den Mörder, nicht das Außergewöhnliche."Agatha ChristieDie am 15. September 1890 in Torquay geborene, am 12. Jänner 1976 in Wallingford verstorbene Queen of Crime zählt zu den erfolgreichsten Autorinnen.Orient- Express1934 erschienen, wurde der Roman "Mord im Orientexpress" bereits mehrfach
So stellt man sich einen Schriftsteller vor. Seriös, intellektuell, macht sich gut auf Schwarz-Weiß-Fotos, in Interviews umgibt ihn die Aura eines Strebers. Das ist die etwas gemeine Variante der Charakterisierung der Autor-Persona Daniel Kehlmanns. Die nettere, nicht weniger zutreffende, ist, dass Kehlmann verlässlich Qualität abliefert, ein literarischer Handwerker, der weiß, was er tut, bei dem Form-und Sprachbewusstsein Hand in Hand gehen, ein Profi.Zu den Wurzeln zurückKehlmann ist Starautor und Liebling des Feuilletons gleichermaßen, er wird in Unterhaltungssendungen genauso
Mit Argusaugen wurde im Vorjahr ihre Teilnahme bei
Bachmannpreis-Bewerb beobachtet. Stefanie Sargnagels
"Statusmeldungen" festigen nun ihren Nimbus als Fremdkörper im
Literaturbetrieb.
Olga Grjasnowa setzt mit ihrem Roman "Gott ist nicht schüchtern" dem
Sprachduktus, der aus flüchtende Menschen Bedrohungen macht,
individuelle Gesichter und Geschichten entgegen.
In der von Männern dominierten Literaturszene des viktorianischen
Englands publizierte Charlotte Brontë, deren Geburtstag sich am 21.
April zum 200. Mal jährt, zunächst unter Pseudonym. Nicht nur ihre
kritische Stimme macht ihre Romane bis heute lesenswert.
Nicht um Männer geht es in Karen Duves Roman "Macht", sondern um
Männlichkeit und strukturell implementierte Machtverhältnisse. Die
Kritik geht ihr auf den Leim.
Die eigenen vier Wände zu verlassen, heißt mit der Welt draußen in Verbindung zu treten. Man gibt Schutz auf, gewinnt dafür Optionen, mit anderen Menschen zu interagieren. Schon bestehende Beziehungen entwickeln andere Dynamiken. In Ulrike Ulrichs Erzählband "Draußen um diese Zeit" bilden urbane öffentliche und semi-öffentliche Räume die Folie, vor der sich Menschen begegnen, Beziehungen entstehen, sich entfalten oder auch auseinandergehen. Die Schauplätze New York, Paris, Zürich, Wien und Rom fügen Lokalkolorit hinzu, doch eigentlich unterscheiden sich die Hotels, Bars, Cafés,
Trivial ist Vea Kaisers neuer Roman nicht, aber auch kein großer
Wurf. Zu erstaunlicher medialer Präsenz hat es die Autorin trotzdem
geschafft. Nützt das dem verstaubten Ansehen der Literatur?
Arno Geigers neuer Roman "Selbstporträt mit Flusspferd" geht dem
Schmerz der ersten Trennung nach. Statt Ästhetik überwiegt eine
Banalität des Alltags.
Man wird nie wissen, ob es eine selbsterfüllende Prophezeiung war, als Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett verkündete, dass ihr Erfolg groß sein würde. In jedem Fall setzte er Judith Hermann damit auf die literarische Landkarte. Volker Hage rief sie dann im Spiegel in paternalistischer Manier zum Fräuleinwunder aus. Was die Autorinnen, die unter dem ärgerlichen Begriff subsumiert wurden, außer den Attributen jung und weiblich, miteinander zu tun haben sollten, weiß heute niemand mehr so genau. Alexa Hennig von Lange, Julie Zeh, Zoë Jenny, Mariana Leky, Jenny Erpenbeck oder
Es war eine Sensation. Das schmale Buch einer jungen schweizerischen Autorin, 1975 herausgegeben im kleinen feministischen Verlag Frauenoffensive, traf den Nerv des Publikums. Schon nach einem Jahr ging die fünfte Auflage in Druck -ein Bestseller, entstanden aus dem Schneeballsystem der Mundpropaganda. Spätestens da konnte auch die Literaturkritik Verena Stefans autobiografischen Text "Häutungen" nicht mehr ignorieren. Mit "hierzulande überfällig" leitete die Autorin ihr Buch ein und das war es in der Tat. Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus: Von den einen hymnisch gelobt, von
Und darum wisse; Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!" Die vom Vater ausgesprochenen Worte in Franz Kafkas Erzählung "Das Urteil" jagen seinen Sohn Gregor Bendemann hinaus aus dem Zimmer auf die Straße, wie über eine schiefe Fläche, gegen die er sich nicht zu wehren vermag, zum Wasser treibt es ihn, wo er sich schließlich von der Brücke stürzt. Das Urteil des bettlägerigen Vaters hat keinerlei Legitimität, noch ist dieser in der Lage, es selbst umzusetzen. Es ist allein die Macht der Sprache, die Gregor in den Tod treibt. Der Titel "Das Urteil" bezeichnet einen
Dass sich auffällig viele etablierte Autorinnen und Autoren zurzeit dem Kriminalroman zuwenden, zeugt nicht nur von dessen Beliebtheit, es zeigt auch, wie schwierig dieses unterschätzte Genre zu handhaben ist. Das kann gut gehen -J. K. Rowling hat nach ihrem Welterfolg mit Harry Potter einen mehr als passablen gesellschaftskritischen Krimi vorgelegt, und auch was sie unter dem Pseudonym Robert Galbraith geschrieben hat, ist lesenswert und wird Krimifans erfreuen - oder es kann ziemlich missglücken, wie in Sibylle Lewitscharoffs letztem Roman "Killmousky".Nun wagt sich auch Franzobel ans
Diese Kunst lässt sich nicht auf das Spiel mit Geschlechterrollen
reduzieren. Sie will Vielfalt abbilden und zeigen, dass man Dinge
auch ganz anders betrachten kann.
Sibylle Lewitscharoff wendet sich mit "Killmousky“ einem für sie neuen Genre zu. Der entstandene Kriminalroman ist kurzweilige Unterhaltung für Freunde des Krimis.
Elif Shafak thematisiert in ihrem Familienepos die Unvereinbarkeit von Individualität und blinder Ehrgläubigkeit.Elif Shafak zählt zu den bekanntesten und meistgelesenen Literaten der Türkei. Nicht zuletzt ihr kontrovers diskutierter Roman "Der Bastard von Istanbul“, in dem der tabuisierte und totgeschwiegene Völkermord an den Armeniern zur Sprache kommt, was seiner Autorin 2006 einen Gerichtsprozess wegen "Verunglimpfung des Türkentums“ eingebracht hat, machte sie über die Grenzen ihres Heimatlandes hinaus bekannt. Damit stand sie nicht allein da. Artikel 301 wurde zum
In ihrem zweiten Roman, "Für euch, die ihr träumt", verwebt die Südtiroler Autorin Birgit Unterholzner die Lebensgeschichten dreier Frauen: Marilena, unglücklich in ihrer Ehe, trauert ihrer großen Liebe, dem Isländer Bjarki, nach und hat, gleich wie die Afrikanerin Lelee, den Verlust eines Kindes zu verkraften. Lelee wiederum hat die Flucht aus Äthiopien über das Mittelmeer überlebt, nur um mit der Brutalität des Lebens als illegaler Flüchtling in Europa konfrontiert zu werden - ein Thema, das nicht erst durch die jüngste Katastrophe vor der Insel Lampedusa traurige Aktualität
Selim Özdogans irisierender Roman "DZ" erzählt flächendeckende
Überwachungssysteme und zeigt, dass die Literatur auf
Bewusstseinsreisen schickt, neue Perspektiven eröffnet, süchtig
machen kann.