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Als der US-amerikanische Führer der Bürgerrechtsbewegung und zum Islam konvertierte Malcom X im Jahre 1964 nach Mekka zur Pilgerfahrt fuhr, war er von der spirituellen Schönheit der Stadt begeistert. Was ihn allerdings am meisten bewegt hat, war die Tatsache, dass unter den damals 300.000 Pilgern, Menschen aus unterschiedlichen Nationen, Ethnien, Rassen, Hautfarben, innerislamischen Konfessionen, Geschlechterzugehörigkeiten usw. an einem Ort versammelt waren, um des einen Gottes zu gedenken. Vor dieser Reise war er der Überzeugung, dass der Islam eine Religion des farbigen Menschen sei, nicht jedoch die des Weißen. In seinem Brief aus Mekka schrieb er: "Ich habe nie zuvor so eine ernsthafte und ehrliche Brüderlichkeit von Menschen aller Farben zusammen gesehen, ungeachtet ihrer Farbe." Malcom X, der selbst ein Schwarzer war und unter dem Rassismus gegen Schwarze in den USA der 60er-Jahre litt, war gerade von dieser Einheit in der Vielfalt, die er in Mekka hautnah erlebte, angetan.

In dieser Woche beginnt die muslimische Pilgerzeit, und es lässt sich fragen, was von dieser Einheit geblieben ist. Saudi-Arabien führt seit Monaten einen Krieg im Jemen, in dem täglich muslimische Zivilisten sterben, Millionen Flüchtlinge aus Syrien und anderen muslimischen Ländern stoßen auf verschlossene Türen der Golfstaaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, der IS tötet weiterhin täglich Muslime, der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak war noch nie so stark wie zurzeit. Die Liste ist lang. Von ehrlicher Brüderlichkeit, die Malcom X vor über 50 Jahren erfahren durfte und zu der der Islam aufruft, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Vielleicht geben aber die Stürme der letzten Tage, die Mekka und die große Moschee ausgerechnet zu Beginn der Pilgerzeit stark beschädigt haben, einen Anstoß zum Umdenken der innerislamischen Verhältnisse.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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