Der Anfang der Gemütlichkeit

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uhrenmuseum, wien

Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Welt erstmals in vierundzwanzig Zeitzonen unterteilt. In den neunziger Jahren orientierte sich ganz Mitteleuropa, auch die Österreich-Ungarische Monarchie, an der sogenannten "Mitteleuropäischen Zeit". Nur eine Stadt konnte sich nicht entschließen, die neue Zonenzeit einzuführen - und das war Wien.

"Es ist wirklich erstaunlich mit welcher Hartnäckigkeit hier der Amtsschimmel gewiehert hat", wundert sich Erhard Chvojka. Erst 1910, mit etwa zwanzigjähriger Verspätung, wurden in Wien die öffentlichen Uhren umgestellt. Der Historiker und Kurator der Ausstellung "Dem Glücklichen schlägt keine Stunde oder Wie die Vorstellung von der Wiener Gemütlichkeit' entstand" im Wiener Uhrenmuseum hat sich mit dem Zeitverhalten und Zeitempfinden der Bevölkerung einer Stadt beschäftigt, deren werbeträchtig gebrauchter Anspruch "anders" zu sein, offenbar sehr alte Wurzeln hat.

Dass Wiens Uhrmacher wegen ihres schlechten Rufes ihre Uhren bis ins 18. Jahrhundert gelegentlich mit französischen oder englischen Namen signierten oder sich Moden, wie die symbolische Verknüpfung von Uhren, Uhrzeit und Erotik sich im lebenslustigen Wien länger als anderswo hielten - dies und vieles mehr formt sich zu einem Begriff einer "Wiener Mentalität", der erst in jüngerer Vergangenheit positiv besetzt wurde.

Gemütlich, gewitzt und ein bisschen nostalgisch, so sahen sich die Wiener im späten 19. Jahrhundert und so wollten sie auch von der Welt gesehen werden. Doch im Bild vom walzerseligen, nach den Klängen von Strauß, Lanner, Suppé und Zierer tanzendem Wien überlebte auch die Kehrseite: die Vorstellung von einem gewissen Phlegma und der sprichwörtlichen Wiener Beamtenmentalität.

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