Der Hunger ist nicht vorstellbar

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Schreckensbilder queren den mangelhaften Sommer. In Somalia sterben Menschen, weil sie nichts zu Essen haben. Sie leiden Hunger, unter anderem wegen des Wetters. Das ist unvorstellbar.

Diese Schreckensbilder von hungerleidenden Menschen rufen uns Europäer dazu auf, mit Geld zu helfen. Doch selbst die radikalsten Fernsehaufnahmen sterbender Kinder lassen uns Hunger nicht einmal erahnen. Er ist unvorstellbar.

Eine politisch definierte Grenze macht den Asylanten

Drastischer als die fotografischen Abbildungen ist das medial verwendete Vokabular. Die Hungerleider (positiv) werden als Opfer bezeichnet. Opfer, lateinisch von ob - entgegen - und ferre - bringen, bezeichnet die Darbringung von Gegenständen oder auch getötetem Leben an eine übergeordnete, metaphysische Macht. Überlassen wir die Menschen in Afrika also den Göttern? Nicht absichtlich! Gehen wir also im positiven Sinne davon aus, dass wir notleidende Menschen meinen und gerne helfen, soweit wir eben können wollen. Opfer sind bemitleidenswerte Geschöpfe, die wir, aus welchen moralischen Beweggründen auch immer, zu unterstützen haben.

Es kann allerdings vorkommen, dass ein Opfer plötzlich kein Opfer mehr ist. Wenn sich zum Beispiel ein Hungerleider (negativ) auf den Weg nach Europa macht, um vielleicht sich und seine Familie mit Essen versorgen zu können, ist er ab einer politisch definierten Grenze ein sogenannter Asylant. Dieser Mensch gilt nicht mehr als unterstützungswürdig. Ganz im Gegenteil. Man meint, er ist ein Schmarotzer. Sein neuer Name Asylant ist gleichzeitig ein Schimpfwort. Ist das vorstellbar?

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