Der Prophet der Komplexität

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Seit 1994 wählt der Klub der Bildungs-und Wissenschaftsjournalisten den österreichischen "Wissenschafter des Jahres", und würdigt damit das Bemühen von Forschern, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. Für bislang wenig beachtete Fachgebiete bedeutet das dann oft einen kräftigen Popularitätsschub: Die Wahl von Verena Winiwarter (2013) etwa hat der Umweltgeschichte Auftrieb verliehen, jene von Alexandra Kautzky-Willer (2016) der Gender-Medizin - und mit dem heurigen Preisträger Stefan Turnher (2017) rückt nun die Komplexitätsforschung ins Scheinwerferlicht. Komplex ist heute Vieles: etwa Migrationsbewegungen, der Klimawandel, das Zusammenspiel von Genen, Prozesse in demokratischen Systemen, etc. Wer hier wie der gebürtige Innsbrucker größeren Durchblick verschaffen will, widmet sich wohl einer zukunftsträchtigen Aufgabe. "Jene Länder, die Komplexitätsforschung beherrschen, werden die wirtschaftlichen und kulturellen Supermächte des 21. Jahrhunderts sein", hat der US-Quantenphysiker Heinz Pagels schon vor Jahrzehnten prognostiziert.

Ursprünglich wollte der 48-jährige Turnher Musiker werden: Doch statt die Ausbildung für Klarinette zu beenden, wechselte er zum Studium der theoretischen Physik. Die Kreativität nahm er mit in die Wissenschaft. Prägend war auch eine Konversation mit dem Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, der dem damaligen Teenager bei einer Veranstaltung Folgendes ans Herz gelegt hat: "Junger Mann, Sie müssen zuerst einmal verstehen, was die Welt zusammenhält." Turnher folgte dem Rat, habilitierte als Teilchenphysiker, arbeitete als Postdoc in Berlin und den USA und landete dann auf der Med-Uni Wien. Zudem absolvierte er ein Doktorat der Wirtschaftswissenschaften (apropos Finanzsystem). Früher sah er sich "zwischen allen Stühlen", heute ist Turnher Österreichs erster Professor für die Wissenschaft Komplexer Systeme an der Med-Uni Wien. Er forscht am Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg und leitet den "Complexity Science Hub" in Wien, ein Netzwerk von Med-Uni, IIASA und Austrian Institute of Technology (AIT). Die interdisziplinäre Forschungsstruktur passt hier ideal zum Forschungsgegenstand: Denn jedes komplexe System, so Turnher, habe Netzwerke in sich, und das Verständnis dieser sei "die Quintessenz, um komplexe Systeme zu verstehen, wie sich diese dynamisch verhalten, auf Stress reagieren, Robustheit zeigen oder kollabieren".

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