Der Skandal ist ganz normal!

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Mediale Auseinandersetzung mit Ernährung und Nahrung beschränkt sich üblicherweise auf die Themen Askese (Diätratschläge), Lust (gourmetpäpstliche Tipps) und Skandale. Am liebsten ist uns Schreibern und Lesern der Skandal. Dioxineier, Virusgurken oder Gammelfleisch beglücken uns(!) in regelmäßigen Abständen mit wohligem Schauer. Der griechische Begriff "Skandalon", die "Mutter" unseres Skandals, ist ein Kernthema der Bibel und bezeichnet alles Böse, das uns von Gott wegführe: Steffen Burkhardt zufolge waren jene Frühchristen, die sich nicht an selbsterstellte Regeln hielten, auf diesem Weg des Skandalons.

Offenbar ist auch der Verkauf von Pferdefleisch ein Ärgernis, also ein Weg weg von Gott. Das ist an sich nicht neu. Papst Gregor III. erließ 732 ein Verbot Pferdefleisch zu essen. Seine Beweggründe sind bis heute unklar. Vermutlich brauchten seine Truppen Schlachtrösser. Erst im 19. Jahrhundert, in der Ära des Rationalismus, wurde das Tabu hinterfragt und schließlich der Verzehr wieder erlaubt.

Tabu und Ekel

Eine Betrachtung der gegenwärtigen Berichterstattung des sogenannten Pferdefleischskandals erinnert an das einzige Fleischverbot, das die Katholische Kirche jemals verhängte. Der Verkauf von Pferdefleisch wird einem Tabu gleichgesetzt. Dabei vergisst man konsequent, dass das Vorgehen der Fertiggerichtproduzenten oder das ihrer Lieferanten tatsächlich ein Vergehen sein kann. Die Täuschung des Konsumenten ist gesetzeswidrig. Ob der Verkauf von Fleisch, das nicht veterinärmedizinisch auf Verzehrtauglichkeit geprüft wurde, erlaubt ist, sei dahingestellt. Weder das Futter der Pferde noch die mögliche Verabreichung von Medikamenten wurden vor der Weiterverarbeitung zu Lasagne oder Wurst ausreichend analysiert. Die kulturellen Phänomene Tabu und Ekel lassen sich offenbar viel besser aufkochen als die Gesundheit und Sicherheit der Esser.

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