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Mit einer klugen Kollegin habe ich mich unlängst auf der "Buch Wien" über die Nöte der Buchmesseneröffnungsredner unterhalten. Die hätten es, meinte sie, wirklich nicht leicht. Jahr um Jahr müssten sie das Lesen und die Bücher rühmen, in immer neuen Anläufen. Sie hat recht: Das Lesen als eh total zeitgemäße Kulturtechnik, das Lesen als papierunabhängige Beschäftigung und Akt des Widerstands, das Buch als Fels in der Brandung und als Leuchtturm in geistiger Seenot, die Bücher als ziemlich beste Freunde (und Freundinnen) - auf diesem ausgelaugten Metaphernfeld auch nur ein Körnchen origineller Anschauung zu finden, überfordert die wackersten Kulturgutwilligen.

Wie viel leichter wäre es, einige Dinge ans Buchmesseneröffnungslicht zu bringen, die genauso wahr sind, ja vielleicht sogar wahrer! Man könnte sagen: Bücher sind schwer. Bücherkästen können umkippen und ihre Besitzer erschlagen. Bücher sind Platzfresser, sie neigen zur Stapelbildung, sie setzen Staub an, sie schüchtern ihre menschlichen Mitbewohner ein durch ihre schiere Gegenwart. Handelt es sich um bereits gelesene Bücher, hat es wenig Sinn, sie aufzubewahren, denn die Chance, dass sie ein zweites Mal gelesen werden, ist kleiner als 1: (Anzahl der in der Bibliothek befindlichen Bücher einsetzen). Handelt es sich um noch ungelesene Bücher, empfiehlt sich aus Gründen der geistigen Gesundheit das Horten erst recht nicht, weil es einem das eigene Versagen Tag für Tag meterweise vor Augen führt. Und man müsste vor dem Lesen warnen: Lesen ist asozial und unproduktiv. Lesen stiehlt uns unsere Lebenszeit. Lesen im städtischen Verkehr lenkt uns von Wichtigerem ab. Lesen macht süchtig. Lesen macht eingebildet. Lesen macht aus uns keine besseren Menschen. So irgendwie. Dann wäre das Buchmesseneröffnungspublikum jedenfalls wach.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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