Die Krisenlust der Intellektuellen

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Warum äußern sich so wenige Kunstschaffende zur "Krise", wurde neulich im Radio gefragt? Peter Weibel, allzeit bereiter Interpret von Kunst und herrschenden Verhältnissen, weiß es: weil sie erstens vom Markt abhängig sind (wer nicht?) und dessen Mechanismen daher nicht kritisieren können und weil sie zweitens nichts davon verstehen (wer tut das schon?).

Das verblüffende Phänomen, an dem Weibel vorbeizielt, ist jedoch ein anderes: Es scheint, als ob die einzige Interessensgruppe weit und breit, die den ökonomischen Einbruch begrüßt, in der Welt der Kunst zu Hause ist. Krise, hurra! Vom Feuilleton der Tageszeitung übers Kunstmagazin bis zum Kulturstammtisch heißt es: endlich Kollaps, war ja längst fällig! Die Blase platzt, Preise purzeln. Der Hype um die Stars der Branche erlahmt. Jeff Koons und Damien Hirst müssen den Gürtel enger schnallen, schadet ihnen ohnehin nicht. Dass nach dem Zusammenbruch großer Bankhäuser ganzen Museen, Theatern, Orchestern ohne deren Sponsoring das Ende droht - na ja, vielleicht in Amerika, nicht hierzulande. Bei uns wird ein bisschen Zuwendung an die Kultur gestrichen, so machen die Museen eben keine marktschreierischen Blockbuster mehr, sondern arbeiten mit ihren Sammlungen.

Hinter diesen Äußerungen (von Fachleuten!) steckt, erstaunlich genug, die hässliche Fratze kleinkarierter Ressentiments. Als hätten die Claqueure der Not, wiewohl Beteiligte des Kunstsystems, zutiefst das Gefühl, bislang von einer Verschwörung von Profiteuren dirigiert und übervorteilt worden zu sein. Ein bisschen mehr systemisches Denken, bitte! Das "Wesentliche", auf das sich die Kunst jetzt besinnen soll, was ist denn das? Die selbstausbeuterische Arbeit im Hinterhof? Das Umarrangieren der Bestände im Museum, dem bald das Publikum den Rücken kehrt? Ohne glitzernde Spitzen ist die substanzielle Basis nicht zu haben. Nicht im Kapitalismus.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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