"Die Maske der Liebe zur Kreatur"

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Der "Engel von Carditello" starb an einem Weihnachtsabend. Ursprüngliche -poetische - Absicht des jungen italienischen Filmemachers Pietro Marcello (Il silenzio di Pelesjan) war es, den Hirten Tommaso Cestrone zu begleiten -er hatte alles hinter sich gelassen, um sich fortan des von der Camorra verwüsteten Bourbonenschlosses von Carditello (in Kampanien) und der davor grasenden Büffelherde anzunehmen.

Doch Tommaso verstarb während der dokumentarischen Dreharbeiten. Sein letzter Wunsch war die Rettung des Büffelkalbs Sarchiapone, dem das Schlachthaus bevorstand, in das schlussendlich sein letzter Gang führen wird: Der Film setzt genau damit ein, gefilmt aus der Perspektive des dann gemästeten Tieres.

Pulcinella (Sergio Vitolo) hört den Toten zu und spricht zu den Lebenden: Die von Tommaso gerufene derb-komische Gestalt der Commedia dell'Arte mit der langen Vogelnase führt Sarchiapone in den Norden: Unter den Bauern muss sich doch einer finden, der sich des Jungbüffels annimmt.

"Bella e perduta"(etwa: "Schön und verloren") verwebt dokumentarische und märchenhafte Ebenen: Aus dem Off spricht Sarchiapone, der ahnt, was ihm blüht, wenn Pulcinella dereinst die Maske ab-und dabei offenlegt, unter welchen sozialen Abhängigkeiten dieser in Wahrheit steht.

"Die Maske des Sozialen"

Der Narr ist verliebt: Endlich will er -erkennbar -ganz Mensch und eben auch Liebhaber sein. Wenn selbst auf Narren kein Verlass mehr ist, muss der Büffelfreund folglich "dran glauben". Zuerst verliebt sich Pulcinella in eine Bäuerin -für sie lässt er später die Maske fallen, dadurch verliert er in der Mythologie seine Unsterblichkeit. Die nächste Station führt Sarchiapone und Pulcinella zu einem Höhlenbewohner, der Sarchiapone an einen Büffelbauern zum Mästen verschachert.

Erst muss Pulcinella aber noch seine Bäuerin verlassen, um den inzwischen ausgewachsenen Sarchiapone wieder finden zu können. Aber weil er die Maske fallen hat lassen, kann er mit seinem einstigen Freund nicht mehr sprechen. Sarchiapone fügt sich mit einer engelsgleichen Geduld in sein Schicksal: Der kampanische Büffel geht am Ende seiner Hinrichtung entgegen, man hört seine Abschiedsworte und sieht auch, wie er sich von seinen Freunden im Zwinger verabschiedet.

"Bella e perduta" wurde nach seinem Erscheinen auf internationalen Festivals herumgereicht und wird gewiss auch hierzulande sein Publikum finden: Weniger der Erkenntnis geschuldet, dass dem lieben Vieh auch eine Seele innewohne, sondern vielmehr aufgrund des Befunds, dass es Regisseur Pietro Marcello wie nur wenige seiner Generation versteht, Politisches und Poetisches zu verschränken und Dokumentarisches mit Fabelhaftem auszusöhnen.

Bella e perduta I 2015. Regie: Pietro Marcello. Mit Tommaso Cestrone, Sergio Vitolo. Stadtkino. 87 Min.

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