Die schräge Zirkusdirektorin

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„The Fatigue Empire“ nennt Cosima von Bonin ihre Ausstellung im Kunsthaus Bregenz, die die erste von dessen neuem Hausherrn, Yilmaz Dziewior, ist. Was die in Kenia geborene Künstlerin mit ihrer Kunst aber wirklich meint, lässt sie bewusst offen.

Cosima von Bonin hat das intellektuelle Getue rund um die Kunst gründlich satt. Um selbst eine zu machen, „die nicht belästigt“. Die mag spontan sein oder auch nicht. Etwa ihre Stofftiere im XXL-Format, die die 48-jährige Deutsche im Kunsthaus Bregenz faul auf Podeste gelegt hat, die eigentlich keine sind. Sondern ein alter Strandkorb, ein ausrangiertes Schulmöbel, ein Beistelltischchen oder ein Schiedsrichterstuhl. Auf Letzterem lässt Cosima von Bonin etwa einen Pinocchio sitzen, der aus dem geschützten kunsträumlichen Spielfeld hinaus ins reale Leben zu blicken scheint. Vielleicht Ausschau hält nach der wirklichen Kunst, nach dem wirklichen Leben. Manche vermuten in der Figur mit der markanten Nase – die, wie jedes Kind weiß, vom Lügen so lang geworden ist – ein Alter Ego der Künstlerin, die sich auf diese hintergründige Art und Weise über die Vertreter ihrer Branche gründlich lustig macht.

Was die in Kenia geborene, in Köln lebende Künstlerin mit ihrer Kunst wirklich meint, wird man nie erfahren. Verweigert sie sich doch jeder Interpretation ihrer Arbeit durch sie selbst, was Cosima von Bonins internationaler Karriere allerdings nicht im Wege stand. Besonders seit der Kasseler documenta von 2007, wo sie im gesamten Ausstellungsgelände ihre überdimensionalen Stofftiere aussetzte und damit den unterdrückten Spieltrieb im Menschen kitzele, der sich in diesem kunstvoll aufgeladenen Kontext seiner infantilen Regungen nicht zu schämen brauchte.

Lümmeln als Zeitvertreib

Der neue Hausherr des Kunsthaus Bregenz, Yilmaz Dziewior, ist allerdings schon lange vor der documenta auf Cosima von Bonin aufmerksam geworden und präsentierte sie 2001 in dem damals von ihm geleiteten Hamburger Kunstverein. Und so ist es nur logisch, dass er für die erste von ihm verantwortete Schau am Bodensee die schräge Zirkusdirektorin zu einem Gastspiel ihrer bunten Menagerie eingeladen hat. Die allerdings an dieser Welt sehr müde geworden zu sein scheint, um sich vom obersten Stock des Kunsthaus Bregenz auf ihrem „Floß Fatigue“ aufzumachen in aufregendere Gefilde.

In dieses reist der plüschige schwarze Hase nicht ohne sein pinkes Halsband. Aus Angst vor dem Kommenden hat sich das gefräßige Küken bereits vor der Abfahrt sein weißes Federkleid bekleckert, was ihre in Tweed, Teddy oder Samt gekleideten Verwandten in keinster Weise zu stören scheint. Sie lümmeln ganz in sich versunken einer ungewissen Zukunft entgegen, um sich die Wartezeit mit dem Hören von Musik zu versüßen, die Oswald von Moritz speziell für sie und die Ausstellungsbesucher komponiert hat.

Einen Stock tiefer outet sich Cosima von Bonin doch als verkappte Feministin, obwohl sie immer wieder betont, das Getue um Gender im Kunstbereich regelrecht lächerlich zu finden. Indem sie einem veritablen Toyota-Pick-up seine aus Pappelholz bzw. Pappe geschnittenen Replikate gegenüberstellt, räumt die Künstlerin mit einem hohen Maß an Ironie mit männlichem Machismus auf, wenn sie den liebsten Fetisch des starken Geschlechts zum monströsen Spielzeug degradiert, dessen Innenleben inklusive Plattenspieler die Künstlerin noch dazu mit Überzügen aus rotweißkariertem Stoff versehen hat. Der übrigens auch an der Fassade des während der Ausstellung nächtens pink leuchtenden Kunsthauses auftaucht – und dessen „a“ nun ebenfalls mit diesem banale haushaltliche Assoziationen provozierenden Stoff eingehüllt ist.

Kein Kommentar

Diesen, genauso wie die meisten von denen, aus denen Cosima von Bonin ihre „Lappen“ in den vergangenen Monaten von professionellen fleißigen Händen sticheln ließ, hat die Künstlerin in einer der letzten Vorarlberger Textilfabriken gefunden. Dabei handelt es sich um veritable Bilder, die auch wie solche funktionieren. Sie erzählen in der Manier von Comics bzw. kunstvoll übersteigerter Naivität Geschichten, deren Banalität durch geschriebene Zitate oder fiktive Homepages hintergründig durchkreuzt wird.

Dass die Museumspädagogik heute in keinem Museum bzw. Kunsthaus fehlen darf, ist unbestritten. Was Cosima von Bonin dem Besucher ihrer Bregenzer Ausstellung allerdings sagen will, indem sie den dortigen Raum für Museumspädagogik im Kleinformat als mit Attrappen und eigenen Fotoimpressionen gefülltes Potemkinsches Dorf nachgebaut hat, ist eine Frage, die nur die Künstlerin beantworten könnte. Was sie aber mit absoluter Sicherheit nicht tut.

Cosima von Bonin: The Fatigue Empire

Kunsthaus Bregenz

bis 3. Oktober, Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr

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