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Schauspielhaus, Graz

Am Anfang pechschwarze Nacht, von irgendwoher tönen wiehernde Schlachtrosse im Wechsel mit zirpenden Zikaden: ein fremdes und unheimliches Land. Plötzlich unterbricht ein sanfter Lichtstrahl das Duster und gibt den Blick auf eine leere Bühne frei: Thomas Reicherts Inszenierung von Goethes "Iphigenie auf Tauris" benötigt nach klassisch-griechischem Vorbild nur die Szene als Rahmen, um die Wucht der Goetheschen Jamben voll zur Geltung zu bringen. Feinfühlige Lichtregie (Christoph Steffen) und anspruchslose Kostümierung (Rike Russig) unterstreichen die Urgewalt des Wortes.

Der Held des Abends: Martin Bretschneider als verfluchter Muttermörder Orest, trotz höchster darstellerischer Anforderungen sprechtechnisch jeder Situation gewachsen, in seiner "mania" so überzeugend, als stiegen aus allen Logen die Furien herab, um ihn in den Tartaros zu zerren. Ein Versprechen für die Zukunft ist Monique Schwitter, die eine ausdrucksstarke und sprachgewaltige Iphigenie in allen Schattierungen dieser Rolle darstellt. Dominik Warta (Pylades) und Georg Peetz (Arkas) beeindrucken mit der ruhigen, sachlichen Sprache der Vernunft, einen grandiosen Skythenkönig Thoas gibt Ernst Prassel, dessen milde, freundliche Stimme so gar nichts von dem Grollen des blutdürstenden Barbaren an sich hat.

Reichert bietet eine mutige und in der heutigen Zeit geradezu notwendige Bearbeitung des antiken Stoffes um den Fluch des Atridenhauses; noch Euripides ließ die Göttin Athene als dea ex machina helfend eingreifen, um den Griechen einen triumphalen Abgang zu verschaffen. Goethe dagegen, ganz dem Humanitätsideal verpflichtet, stellte die Macht vernünftiger Rede in den Dienst der Völkerverständigung: Nicht Waffeneinsatz, sondern Dialog und gegenseitiges Verständnis führen zu gedeihlicher Entwicklung der Menschheit.

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