Doppelter Blick auf die Welt

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René Burri, weltbekannter Magnum-Fotograf, feierte letztes Jahr seinen 80. Geburtstag. Die Wiener Galerie OstLicht ehrt den Schweizer Fotokünstler nun mit einer Ausstellung.

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René Burri, weltbekannter Magnum-Fotograf, feierte letztes Jahr seinen 80. Geburtstag. Die Wiener Galerie OstLicht ehrt den Schweizer Fotokünstler nun mit einer Ausstellung.

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Die Journalisten warten. Schon vor einer halben Stunde hätte die Pressekonferenz beginnen sollen, doch der Meister kommt nicht. Der sitzt derweil im Nebenraum, in der Bibliothek, signiert Bücher und plaudert mit Freunden, wobei er dauernd zwischen Deutsch, Französisch und Englisch hin und her wechselt.

Ein Fotograf ist ein Mensch, der sich gerne hinter seiner Kamera versteckt: Auf René Burri trifft diese Charakterisierung definitiv nicht zu. Der Schweizer, nun in Paris lebend, genießt es, im Mittelpunkt zu stehen. An diesem Abend trägt er rotes Hemd, weißen Schal, schwarzen Hut.

Schließlich begibt sich Burri doch zu den Journalisten, auf das Podium. Er geht mit Stock. Alt ist er geworden, im letzten Jahr 80. Und gesund wirkt er auch nicht. Grau die Gesichtsfarbe. Wortmächtig ist er allerdings wie eh und je. Binnen kurzem hat er die Zuhörer in seinen Bann gezogen.

Zeitzeuge des Weltgeschehens

Die Wiener Galerie OstLicht feiert mit der Ausstellung "René Burri. Doppelleben" einen Großen der internationalen Fotoszene. Wen hat er nicht alles abgelichtet! Le Corbusier im Atelier und Pablo Picasso in einer Stierkampfarena. Maria Callas und Alfred Kokoschka. Und nicht nur die Berühmten der Kunstwelt fing er ein, sondern auch einfache Leute, Fischer bei der Arbeit auf hoher See, wie eine frühe Bildserie in der Ausstellung zeigt. Damit nicht genug, auch Architektur-und Landschaftsaufnahmen machte er. Kurzum: Das Charakteristische am Schaffen von Burri ist, dass er sich im Grunde stets für alles interessiert hat.

1959 wurde Burri Mitglied der legendären Fotoagentur Magnum, die einen aufklärerischen Ansatz verfolgte. Zeitzeuge des Weltgeschehens sein, dies war ihre Losung. Burri machte klassische fotojournalistische Arbeit -unter anderem war er Kriegsreporter in Indochina -, daneben schuf er aber auch immer wieder Werke, die in die Kategorie "künstlerische Fotografie" fallen, weil bei ihnen etwa der Fokus auf dem Zusammenspiel von Licht und Schatten liegt.

Diese doppelte Ausrichtung würde schon genügen, um den Titel der Wiener Ausstellung zu erklären. Doch es kommt ein weiteres "Doppelleben" hinzu: Burri fotografierte seit den 1950er-Jahren sowohl schwarzweiß als auch in Farbe. Klingt zunächst nicht besonders spektakulär, ist es aber, wie der Münchner Publizist Hans- Michael Koetzle in seiner Eröffnungsrede betonte. Dass einer beide Genres bedient, und dies zudem auf hohem Niveau, das sei in der Fotokunst ein Sonderfall, die absolute Ausnahme.

In der Tat ist ein Farbbild mehr als ein Schwarzweißbild plus Farbe. Mit der Farbe kommt ein weiteres Gestaltungselement hinzu, das als solches zu berücksichtigen ist. Und das heißt wiederum, dass eine Farbaufnahme einen ganz anderen Blick auf die Welt erfordert als eine Schwarzweißaufnahme. Damit hatte Burri offensichtlich kein Problem. Auf seinen Reisen hatte er stets zwei Kameras umgehängt, die eine mit TRI-X, die andere mit Kodachrome bestückt. Und er reiste viel, wobei ihm sein Schweizer Pass zu Hilfe kam. Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen konnte er problemlos etwa auch nach China oder Osteuropa einreisen.

Blütezeit der Fotoreportage

Immer auf Achse, von einem Kontinent in den anderen, jeden Abend in einem anderen Hotel: So etwas macht man, wenn man jung ist. Burris Hauptwerk entstand in den 1960er-Jahren, und vor allem das ist auch in Wien zu sehen. Es war die Blütezeit der Fotoreportage, die Menschen waren hungrig nach Bildern. Zeitschriften wie Life oder Stern entsandten ihre Fotoreporter in alle Welt -so gut wie damals sollte es ihnen nie wieder gehen.

In jener Zeit entstand auch Burris berühmtestes Foto: Che Guevara. Die Zigarre im Mundwinkel, geht der Blick des Revolutionärs nach oben. Zum ersten Mal erschien dieses Foto 1963, in Look, als letztes Bild einer 24-seitigen Kuba-Reportage. Erst Jahre später sollte es zur Foto-Ikone aufsteigen, unzählige Male reproduziert, auf Plakaten, T-Shirts und Hauswänden. In der Galerie OstLicht ist es in edlen Rahmen und säurefreies Passepartout eingefasst.

Sein liebstes Foto? Nein, sagt René Burri, es sei wie mit den eigenen Kindern. Alle habe man gleich lieb.

René Burri. Doppelleben

OstLicht. Galerie für Fotografie bis 15. März 2014, Mi-Sa 12-18 Uhr www.ostlicht.at

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