Eden im Bauch des Glitzerriesen

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Zum 120-Jahr-Jubiläum des Unternehmens Swarovski und dem 20-jährigen Bestehen der Kristallwelten wurden fünf Wunderkammern und auch die Außenanlage von internationalen Künstlern neu gestaltet.

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Zum 120-Jahr-Jubiläum des Unternehmens Swarovski und dem 20-jährigen Bestehen der Kristallwelten wurden fünf Wunderkammern und auch die Außenanlage von internationalen Künstlern neu gestaltet.

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Als sich vor 20 Jahren ein "Riese" auf einer großen Wiese im tirolischen Wattens niedergelassen hat, hätte niemand gedacht, dass jährlich rund 800.000 zahlende Besucher aus aller Welt in dessen "Bauch" strömen werden. Weder die Kristallschleiferdynastie Swarovski, die sich 1995 mit diesem glitzernden Ort zum 100. Geburtstag selbst beschenken wollte, noch André Heller, der Ideenlieferant für die von den unterschiedlichsten Künstlern gestalteten "Wunderkammern", die sich mit den Jahren immer wieder wandelten. Beständig nur der der Kuppel von Buckminster Fuller nachempfundene "Kristalldom ", bei dessen Betreten der Besucher in einen riesigen Glitzerstein mit 595 spiegelnden Facetten einzutauchen glaubt.

Kommerzielle Kompromisse

Der unvorhergesehene Besucherstrom machte schon 2003 und 2007 räumliche bzw. infrastrukturelle Erweiterungen der Kristallwelten nötig und nun eine weitere, wesentlich radikalere. "Wir wollen das Staunen pro Quadratmeter erhöhen, noch mehr sollen kommen und länger bleiben", so Hausherr Stefan Isser. Mit der Konsequenz, dass der "Riese" nun nicht mehr nur seinen markanten "Kopf", sondern seinen breiten Rücken aus der grünen Wiese wölben lässt. Das ist formal irgendwie schade, weil dadurch die Eindrücklichkeit des "Kopfes", aus dessen "Mund" sich ein Wasserfall ergießt - der sich im Winter in einen Bart aus Eis verwandelt -, wesentlich geschmälert wird. Dies ist ein letztlich dem Kommerz geschuldeter Kompromiss, versteckt sich in diesem "Rücken" doch ein riesiger, ganz in Weiß gehaltener Shop bzw. das neue Foyer zum unterirdischen Konzertsaal.

Eigentliche Wunderkammern gibt es auch in den "neuen" Kristallwelten nicht mehr, allerdings wurden einige neu gestaltet. Die "alten" ebenso wie die "Blaue Halle", durch die der Besucher das unterirdische Riesenreich betritt, wurden nur aufpoliert. Was alle verbindet, ist die irreale Magie des Glitzernden, interpretiert allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise: Zentrum von "Silent Light" ist etwa ein von Tord Boontje und Alexander Mc-Queen mit 150.000 Swarovki-Steinchen besetzter Baum, der in einer klirrend kalten romantischen Winterlandschaft steht.

Wesentlich philosophischer geht es die südkoreanische Künstlerin Lee Bul in ihrer Installation "Into Lattice Sun" an: Sie entführt in eine utopische Spiegellandschaft, die die unterschiedlichsten Illusionen von Räumlichem suggeriert.

"Eden", eine weitere der insgesamt 16 Wunderkammern, ist in den Swarovski Kristallwelten kein "normales" Paradies, sondern ein sehr ungewöhnlicher Wald. Seine Grenze markiert ein mächtiger Wasserfall, der per Leinwand virtuell in die Tiefe stürzt, wodurch der Waldspaziergang sehr real wirkt. Die Baumstämme sind allerdings aus poliertem Messing, die sich durch die verspiegelten Wände der von dem Künstlerduo Fredrikson Stallard gestalteten Wunderkammer ins Unendliche fortzusetzen scheinen. Gesellschaft leisten dem Wanderer größere und kleinere glitzernde Vögel, Reptilien, Blüten und Früchte.

Sehr viel zu sehen gibt es auch in der von Studio Job (Job Smeets und Nynke Tynagel) erfundenen und benannten Wunderkammer: Innsbrucks "Goldenes Dachl" findet sich hier genauso wie New Yorks Freiheitsstatue oder Londons Big Ben. Napoleon steht auf einem Sockel, Putin landet mit seinem Hubschrauber gerade auf einer Bergspitze. Und alles glitzert wunderbar kitschig in diesem schrägen, mit viel Ironie zelebrierten Mini Mundus. Seinen eigenen Kristall kann der Besucher dagegen in der interaktiven Installation von Arik Levy wachsen lassen.

Wolken aus Kristallen

Die eindrucksvollste neue "Kunstkammer" ist allerdings keine Kammer im engeren Sinn, sondern die von Andy Cao und Xavier Perrot erfundene "Kristallwolke", die über einem kleinen See im mit seinen siebeneinhalb Hektar nun gegenüber früher fast doppelt so großen Park schwebt. Das aus dünnem grauem Draht gemachte Wolkengerüst ist mit rund 800.000 farblosen Swarovski- Kristallen besetzt, die bei Sonnenschein in sämtlichen Farben glitzern oder bei Regen wie riesige Tränen daherkommen.

Kein Glitzern ist beim neuen Eingangsgebäude angesagt, dessen betoniertes Flugdach auf einen "Wald" aus rohen Birkenstämmen gelegt ist. Wie eine Skulptur mit Innenleben mutet das neue Restaurant an, das ebenso wie der von außen vage an einen etwas verschobenen Kristall erinnernde Spielturm vom norwegischen Architekturbüro Snohetta gestaltet ist.

Swarovski Kristallwelten Watten täglich von 9 Uhr bis 18.30 Uhr letzter Einlass 17.30 Uhr www.kristallwelten.swarovski.com

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