Ein kluger Schaugenuss

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Der Mensch liebt Ordnung. Auch wenn manche Küchen und Kinderzimmer das nicht bestätigen, ist ein menschlicher Drang, zu organisieren, kategorisieren, klassifizieren und damit auch zu hierarchisieren nicht zu leugnen. Jedes Tier braucht einen Stamm, eine Klasse, eine Gattung, eine Familie, eine Art -oder wie war die Reihenfolge? -: Das müssen schon Kinder lernen.

Auf die Willkür entsprechender Einteilungskriterien hat Jorge Luis Borges sehr schön hingewiesen, indem er eine "gewisse chinesische Enzyklopädie" zitierend Tiere wie folgt einteilt: "a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde ( ), die von Weitem wie Fliegen aussehen."

Auch wenn die in der französischen Schweiz lebende Illustratorin Adrienne Barman mit ihrem ersten auch in deutscher Sprache erschienenen Buch "Walross, Spatz und Beutelteufel" deutlich näher an Borges dran ist als etwa an Linné, sind die 41 Familien, in die sie die fast 600 Tiere ihres "großen Sammelsuriums" sortiert, durchaus naheliegend und sinnvoll: Da spielen Farben eine Rolle ("Die Schneeweißen" oder "Die Knallroten"), Verhaltensweisen ("Die Nervösen" oder "Die Stubenhocker") oder die Beziehung zu anderen Tieren ("Die Treuen" oder "Die Einzelgänger").

Namen wie ein Gedicht

In fast allen Fällen sind die Namen der Tiere und die Bezeichnung der Familie die einzige Text-Informationen, alles andere erzählen die Bilder. Und die machen das nicht naturalistisch, aber wunderbar: von den Schnellen ist nichts als eine Staubwolke zu sehen, die Bedrohten rühren mit Tränen, die Meister der Tarnung muss man suchen, die Treuen leben in einer Welt voller Rosa, den Einzelgängern wird jeweils eine ganze Seite zugestanden

Barmann zeichnet ihre Tiere, deren Namen allein bisweilen ein Gedicht sind (die "Glänzende Binsenjungfer", der "Mittlere Weinschwärmer" oder der "Weißwangen-Kleidervogel"), mit schwarzem Stift und koloriert anschließend herzergreifend und ohne Zurückhaltung. Immer, hat man das Gefühl, erwischt sie die Protagonisten im richtigen Moment und lässt sie mitunter sehr komisch dreinschauen. Ein kluger Schaugenuss mit hohem Unterhaltungswert - und wer noch mehr wissen will, kann ja bei den Zoologen und Taxonomen nachlesen.

Buchtipp von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur

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