Ein neues Museum für Klagenfurt!

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Frankreich hat nun, was in Österreich bislang undenkbar ist: ein Bundesmuseum außerhalb der Hauptstadt. Ausgerechnet in Marseille, der wilden, einschüchternden, unberechenbaren Hafenstadt, die auch als Europäische Kulturhauptstadt mit Schießereien auf den Straßen Schlagzeilen macht. Im Zentrum merkt man von solchen Spannungen nichts. Für dieses Kultur-Jahr ist der alte Hafen umgekrempelt, aufgeräumt und poliert worden. Es hat sich ausgezahlt. Doch die eigentliche Leistung von Marseille liegt darin: Man hat ein Museum geschaffen, das überlieferte Denkschablonen und Hierarchien über den Haufen wirft.

MuCEM, das Kürzel steht für "Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeerraums“ - das MuCEM stellt die EU-Perspektive auf den Kopf. Im MuCEM wird die Mittelmeerkultur fokussiert, die Europa mit Nordafrika verbindet. Geschichte und Gegenwart von Tunesien, Algerien, Ägypten, Marokko, Libyen sind von größerem Interesse als die von Frankreichs europäischen Bündnispartnern. Es geht nicht um eine versuchsweise Erweiterung des Blicks, sondern um die radikale Verpflanzung des Blickpunkts. Kaum Artefakte aus Paris, dafür solche aus Marseille und Algier, aus Kairo und Beirut - präsentiert mit freiem, wertschätzendem, unverklemmtem Blick auf ehemalige Herrschaftsgebiete, verbindende Geste an die heutigen Immigranten.

Schon wünscht man sich Gleichartiges für daheim. Ein Museum, das Geschichte und Kultur des süd-ost-europäischen Raums in gleichwertige Beziehung setzt zur österreichischen Geschichte. Dürfen kulturwissenschaftliche Institutionen die Bande nach Ost- und Südosteuropa den Banken und Baumärkten überlassen? Vielleicht gründen wir dafür ein neues Bundesmuseum in Klagenfurt?

Die Autorin ist Direktorin des Kunstmuseums Lentos in Linz

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