Eine neue Comédie Française

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"Verstehen Sie die Béliers?": Der deutsche Titel von Éric Lartigaus formidabler Komödie ist irreführend. Denn eigentlich wäre zu fragen, ob diese, ein wenig, nun ja, ungewöhnliche Familie Sie versteht

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"Verstehen Sie die Béliers?": Der deutsche Titel von Éric Lartigaus formidabler Komödie ist irreführend. Denn eigentlich wäre zu fragen, ob diese, ein wenig, nun ja, ungewöhnliche Familie Sie versteht

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Französische Komödien haben zurzeit auch im deutschsprachigen Kino Konjunktur. Von "Monsieur Claude und seine Töchter" bis zur jüngsten "Sehnsucht nach Paris", der Isabelle Huppert in der ungewohnten Rolle als in die Jahre gekommene Rinderzüchterin auf die Leinwand brachte, reicht das Spektrum. Und nun beglückt uns Éric Lartigau mit dem in Frankreich überaus erfolgreichen "Verstehen Sie die Béliers?" - eine weitere Variation des Themas Aschenputtel muss Familie versorgen und wird unversehens von der Muse geküsst. Aber wie lassen sich Familienpflichten und die hohe Kunst unter einen Hut bringen?

Klar ist, dass es zur Beantwortung dieser Frage auch in Bezug auf den Kosmos der eigenen Familie Bélier einer Spielfilmlänge bedarf. Denn abgesehen von Tochter Paula, die im Lauf des Films ihre - späte - erste Regel haben wird, ist der Rest der Sippe -Vater Rodolphe, Mutter Gigi sowie der jüngere Bruder Quentin - taubstumm. Paula muss zum Stress der Pubertät also auch noch die Familiengeschäfte der Béliers managen - von der Bestellung von Futter für die Kühe bis zu Banküberweisungen.

Zu allem Überfluss hat sich Rodolphe auch noch entscheiden, bei der Bürgermeisterwahl gegen den eher korrupten Amtsinhaber zu kandidieren -ein gehörloser Ortsvorsteher ist auch in Frankreich etwas Neues. Und er benötigt Paula als Gebärdendolmetscherin.

Doch das Leben verläuft ein wenig anders, als die Béliers im Allgemeinen und Mutter Gigi im Besonderen geplant haben: Das für die Familienorganisation so vorteilhafte Kind droht flügge zu werden. Denn Monsieur Thomasson, verkrachter Bohemien und Gesangslehrer an der Schule, entdeckt Paula stimmliches Talent und versucht sie dazu zu bewegen, sich für die Chorschule des Rundfunks in Paris zu bewerben.

Familiensinn siegt über Karriere -oder?

Mon Dieu, wie sieht es dann mit dem Rest der Familie aus? Terrible, ist sich Maman Gigi sicher. Und sie bringt die Halbwüchsige in Gewissenskonflikte der Sonderklasse. Aber, Gott sei Dank, der Familiensinn siegt über den schnöden Egoismus des Traums von einer Künstlerkarriere. Oder doch nicht? Papa ist sich jedenfalls nicht so sicher wie die Gesponsin. Und man darf einen köstlichen Film lang gespannt sein, wie das alles ausgeht - auch wenn das Ergebnis dann doch wenig überrascht.

Aber auf dem Weg dahin können Karin Viard als Gigi und François Damiens als vierschrötiger Rodolphe ihr stummes Komödiantentum beweisen. Auch Èric Elmosnino, hierzulande noch in der Titelrolle des Biopic "Gainsbourg" (2010) in allerbester Erinnerung, gibt dem Klavierlehrer Thomasson die nötige Farbe.

Aber das eindrücklichste Schauspiel liefert der Jungstar des Unterfangens ab: Louane Emera, die schon in der französischen Version der Castingshow "The Voice" begeisterte, gelingen in ihrer ersten Filmrolle auf Anhieb alle Nuancen einer 16-Jährigen - von der störrischen Göre über die mitfühlende Tochter/Schwester bis zum selbstbewussten Stimmwunder. Dabei war sie bei den Dreharbeiten selber gerade einmal 17 Jahre alt.

"Chapeau!" würde nicht nur ein alter Gallier ob solcher Leistung ausrufen.

Verstehen Sie die Béliers?(La famille Bélier)

F 2014. Regie: Éric Lartigau. Mit Louane Emera, Karin Viard, François Damiens, Éric Elmosnino. Filmladen. 105 Min.

Die Kritiken zu "Superwelt" und "Über die Jahre" fanden sich schon in der letztwöchigen FURCHE.

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