Eine neue Welt

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Ein verfolgter usbekischer Lyriker fand Zuflucht in Österreich.

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Ein verfolgter usbekischer Lyriker fand Zuflucht in Österreich.

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Mein Turkestan! Die Würde hast du längst verloren, und wo sind deine Träume, wo ist deine Zukunft?" So schreibt der usbekische Dichter Jodgor Obid über seine Heimat. Vom Geheimdienst verfolgt, flüchtete er über Aserbeidschan nach Moskau, brachte sich als Arbeiter in Kolchosen und am Hochofen fort, wurde aber auch in Moskau vom usbekischen Geheimdienst verfolgt. "Wir haben ein System des Baschismus, eine höchst wirkungsvolle Verbindung von Bolschewismus und Faschismus in Usbekistan, und niemand weiß, wann das aufhören wird. "Seit 14 Monaten lebt er in Graz, welche Stadt sich damit wieder als Zuflucht für verfolgte Schriftsteller zeigt. Demnächst wird Obid als Ehrengast zum PEN-Kongreß nach Helsinki reisen, worauf ihn das vorarlbergische Götzis für ein weiteres Jahr aufnehmen wird. Mittlerweile hat er auch das Asylrecht in allen Schengen-Ländern erhalten, doch wann er in seine Heimat zurückkehren kann, wann er seine Familie wiedersehen wird, weiß niemand.

In Graz ist ein Gedichtband entstanden, "Das goldene Schiff". Bei der Publikation gab es Schwierigkeiten. Obid schrieb mit der Hand, denn eine Schreibmaschine mit usbekischen Buchstaben ist nicht vorhanden. Die Übersetzung ins Deutsche erfolgte über einen Umweg, denn in Österreich gibt es keinen Dolmetsch für diese Turksprache. So übertrug Obid ins Russische, von dort wurde ins Deutsche weiter übersetzt. Obwohl man den Gedichten dadurch eine gewisse Holprigkeit anmerkt, überzeugt die Kraft ihrer Sprache und die Tiefe der Gedanken. Obid wirbt damit auch für die Kultur seiner Heimat: "Sie ist romantisch und lyrisch, sie würde den Europäern eine neue Welt erschließen, wenn sie leichter zugänglich wäre", meint er. Ein Anfang ist mit seinem Gedichtband gemacht, ist es doch das erste Mal, daß ein usbekisches literarisches Werk in einer europäischen Sprache vorliegt. Es verdient die Beachtung aller kulturell engagierten Menschen.

DAS GOLDENE SCHIFF Von Jodgor Obid. Leykam Verlag, Graz 1998, öS 148,

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