Endlich ein normales Land!

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Nicht nur die Gewerkschaften, das ganze Land schien Anfang der Woche irgendwie wohlig erregt ob des Umstands, dass auch bei uns in Österreich so etwas wie ein richtiger Streik... Man konnte förmlich das erleichterte Schulterklopfen spüren, das in solchen Fällen häufig nach der Erstarrung der Schrecksekunde einsetzt: Na sicher, es geht ja auch bei uns!

Jahrelang wurden wir - durchaus mit einigem Recht - belehrt, dass das sozialpartnerschaftliche System, die "Nebenregierung", das Land gelähmt habe, wir lernten, die Wende 1999/2000 als Aufbrechen des alten Systems zu begreifen, kluge Analytiker erklären uns seither wortreich, dass die Konflikt- die Konsensdemokratie abgelöst habe und dass das alles gut, sehr gut sei, denn - und das dürfte das Schlüsselwort sein - wir befänden uns damit auf dem besten Weg zu "europäischer Normalität".

"Europäische Normalität" - das heißt: wie die anderen sein, die Großen, die westlichen Industriestaaten. Wäre an sich ja nicht schlecht. Indes, bei unserer Neigung, das Kind mit dem Bade auszuschütten und von einem Extrem ins andere zu fallen, ist man ob der Begeisterung über die "Normalität" zumindest ein wenig skeptisch. Wer einfach nur ganz normal sein will, verpasst dieses Ziel ja meist haarscharf...

Aber wir lassen uns in den kommenden Tagen und Wochen gerne eines Besseren belehren. Einstweilen nehmen wir den Streik einmal als Ausdruck konfliktdemokratischer Reife, sehen großzügig darüber hinweg, dass er eigentlich die Falschen getroffen hat. Wollen glauben, dass es einen Mittelweg zwischen der Rückkehr zu altem Gemauschel und Drüberfahren gibt. Und hoffen - solidarisch, wie wir sind -, dass sich Fritz Verzetnitsch schon ganz genau überlegt hat, was er macht, wenn die Regierung nicht einlenkt.

rudolf.mitloehner@furche.at

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