Erst die Kohle, dann die Kultur

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Es war einmal ein Land, dessen Politiker sich mit Kultur brüsteten, und das auch heute noch wegen seiner Kultur aufgesucht wird. Seine derzeitigen Volksvertreter, die unter Volk vor allem sich selbst und ihre Klientel verstehen, fühlen sich wie die Großgrundbesitzer, die weniger am kulturellen Wert neuer Bauwerke, als an der Möglichkeit, durch deren Errichtung viel Geld zu beschaffen, interessiert sind. Und so werden immer größer dimensionierte Mammutprojekte wie Bahnhöfe, gläserne Büro- und sonstige Paläste und ganze Stadtviertel mit unzähligen meist leerstehenden Büroflächen verwirklicht, über deren Sinn und Zweck meist erst nach deren Fertigstellung diskutiert wird.

Die Kultur hat sich längst verabschiedet. Der schnelle Zaster prägt das Handeln und nicht der gute Geschmack und die Einfühlsamkeit in gewachsene Traditionen. Auch von demokratischer Großzügigkeit ist kaum noch etwas zu spüren. Eiskalt geht es um die Macht und um das Wohlergehen jener, die augenblicklich daran teilhaben. In diesem Kannibalismus ist vieles in Gefahr. Künstler etwa, die sich nicht anpassen und nicht vereinnahmen lassen; Journalisten, die gegen die Interessen ihrer Herausgeber und Generaldirektoren schreiben, die wieder um die finanziellen Zuwendungen durch die Politik fürchten müssen; aber auch Kulturmanager, die jenes Geld verlangen, das für ihre Theater und Museen durchaus angemessen wäre. Die Strukturen bleiben aufgebläht, das Nichts wird aufwendig verwaltet und der Inhalt wird zur Nebensache.

Oft scheint es nur noch um den Erhalt von Dornröschens Dauerschlaf zu gehen und darum, die Prinzen daran zu hindern, die Dornen der Hecke zu überwinden und die Prinzessin wach zu küssen. Keine Bange, einige von ihnen werden es schaffen. Märchen haben sich noch immer bewahrheitet.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV II

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