Essen macht angeblich krank

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Die ersten Feiertage des Winters sind vorbei. Sie mögen Spuren am Körper hinterlassen haben. Deswegen werden sie vielleicht sogar als Sündentage interpretiert. Im Zeitalter alltäglichen Überflusses beginnen wir, das Feiern als falsch zu deuten. Und die Angst, falsch zu leben, also falsch zu essen, nimmt zu.

Essen macht angeblich krank. Vielesser belasten angeblich die Gesellschaft auf unverantwortliche Weise. Eine Nationalratsabgeordnete ortet sogar radikal unsoziales Verhalten bei übergewichtigen Kindern mit Migrationshintergrund. Sie liegen, so Frau Belakowitsch-Jenewein, dem Staat auf der Tasche. Sie, die unverantwortlich dicken Kinder, sollen vom Gesundheitsminister zum Thema gemacht werden. Und die Politikerin verweist darauf, dass echt österreichische Kinder dünner, also verantwortungsvoller seien.

Orthorexia nervosa

Weihnachten hin, Fasching her - wir(!) haben also richtig(!) zu essen. Das Volk - also wir(!) - bekommen Ratschläge und Richtlinien, Merkblätter und sogar ganze Ernährungspyramiden vorgesetzt, um zum Richtigen animiert zu werden. Das kann durchaus Verwirrungen auslösen. Seit 1997 wird ausgehend von den USA diskutiert, ob diese ständigen Irritationen eine Essstörung auslösen, und ob diese wiederum eine Krankheit sein darf. Der amerikanische Arzt Steven Bratmann prägte in Anlehnung an Anorexia nervosa den Begriff Orthorexia nervosa als Bezeichnung für ein Krankheitsbild, bei dem Betroffene ein auffallend ausgeprägtes Verlangen danach haben, sich möglichst gesund zu ernähren. Nun hat sich der US-Historiker Harvey Levenstein dieses Themas angenommen. In seinem hervorragenden Buch "Fear of Food“ beschreibt er die Entstehung von Nahrungsängsten. Er dekonstruiert die panische Angst vor Bakterien genauso wie die Entstehung der "Wunderdroge“ Joghurt. Nach dieser Lektüre können wir wieder lustvoll und sündenfrei in einen Krapfen beißen.

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