Essen und Fasten als Glaubensfrage

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Gegenwärtig müssten katholische Christen ihren Speiseplan deutlich einschränken. Doch selbst der Aschermittwoch oder der Karfreitag sind den meisten katholischen Österreichern genauso wurscht wie dieselbige, die sie an diesen Tagen zwischen die Semmel schieben. Dennoch sind Speisetabus und -regeln auch bei uns und bis heute ein Thema. Populistische Politiker, Geistliche und Medien, Stammtischdiskussionen und (ekelhafte) Internetblogs geifern aggressivst auf die Essrituale anderer, fremder Kulturen hin. Halal oder Koscher werden gebrandmarkt und Andersgläubige damit beleidigt und denunziert.

Wir sollten uns manchmal der eigenen Absurditäten bei der Auswahl und beim Verzehr von Speisen besinnen. Beim Essen ist jede Gesellschaft umgeben von religiösen und kulturellen Gesetzen. Sie sagen uns, was wir wie zu essen haben und wovor wir uns ekeln müssen.

Der Regelbruch des Reformators

Wir erinnern uns an einen indischen Assistenten während unserer Kurzzeitprofessur in Chennai. Er war verliebt in ein Mädchen aus Delhi, konnte sie aber nicht heiraten, weil sie anders aß. Jahre später erlebten wir bei einer Veranstaltung katholische und einen protestantischen Theologen, die darüber stritten, ob Gläubige der beiden Denkweisen gemeinsam Abendmahl feiern könnten. Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass die Reformation auch wegen katholischer Speisegesetze entstand. Die vielen Fasttage verursachten speziell in nördlichen Regionen Europas Hunger und Unterernährung. Die Reformatoren reagierten darauf. Zwingli soll zum Beispiel arme Handwerkergesellen an einem Fasttag zu einem Wurst- und damit zu einem Sattessen eingeladen haben. Er sprengte die Regeln.

Am Ende wurde Europa von einem der furchtbarsten Kriege seiner Geschichte heimgesucht. Möglicherweise ist es gut, dass die Fastenzeit so wurscht ist.

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