Events, Locations und Hussen

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Bis dato glaubte ich an die Zeitdiagnose, der zufolge wir in der Ära des Individualismus leben. Die Diversifizierung der Märkte würde dafür sorgen, dass jedes Bedürfnis befriedigt und jede Fantasie realisiert werden könne. Vorausgesetzt, Kreativität und Konto finden sich in einer produktiven Allianz der Wunscherfüllung. Bewegt man sich mit beschränkten Mitteln, findet man sich allerdings recht schnell in einem beklemmenden Konformismus gefangen. Sobald man einen diffizileren Anspruch stellt, als unter 17 Joghurts im Supermarktregal eines auszusuchen, wird es schwierig.

Wovon spreche ich? Vom bevorstehenden Anlass eines Geburtstages, der aufgrund seiner Rundung besonders begangen werden soll. Wie plant man dieses Ereignis? Man beginnt, einschlägig im Internet zu recherchieren. Man lernt, dass der Schlüsselbegriff nicht „Fest“ heißt, sondern event. Man findet potenzielle locations. Man vergleicht Angebote des Kulinarischen, der Dekoration und der Vorschläge für Abläufe eines solchen Ereignisses. Langsam begreift man, dass die Auswahl eine sehr reduzierte ist und dass es offenbar eine konsensuale Vorstellung des Festlichen oder besser eines events gibt, von den Canapés bis zum Raumschmuck.

Wer 2010 ein event veranstaltet, tut dies mit Tischen und Stühlen, welche mit Hussen verkleidet sind. Die Husse ist die event-Pest unserer Zeit. Eine textile Verhüllung von Sitzmöbeln und (Steh-)Tischen, die ursprünglich als Schonbezug entwickelt wurde. Irgendwann kam jemand auf die smarte Idee, die Husse als dekoratives Element umzudefinieren.Plötzlich ist die Husse, bevorzugt eierschalenfarben, nobel. Und nicht mehr ein Stück Stoff, mit dem unansehnliche Möbel preiswert aufgemotzt werden.

Wer nun Hussen scheußlich findet, ist im Eventausstatterangebot praktisch verloren. Und hat eine Lektion über Individuen und Märkte im Spätkapitalismus gelernt.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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