Fast lieblose Toleranz

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Marius von Mayenburgs Erfolgsstück "Feuergesicht" in Wien.

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Marius von Mayenburgs Erfolgsstück "Feuergesicht" in Wien.

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Mit Büchner hat Hans Gratzer den jungen deutschen Autor Marius von Mayenburg verglichen. Bei der österreichischen Erstaufführung von dessen Erfolgsstück "Feuergesicht" im Wiener Schauspielhaus kommt einem eine solche Assoziation tatsächlich nur am Rande in den Sinn. Da fährt kein "Feuer um den Himmel und ein Getöse herunter wie Posaunen", um mit den Worten Woyzecks zu sprechen. Vielmehr könnte man das ungestüme, flott geschriebene Werk mit seinem pubertären Feuersturm, der sich ausgerechnet in einem sogenannten liberalen Familienumfeld entzündet, beinahe für eine Komödie halten, lägen da nicht am Ende tote Eltern auf dem Boden und ginge der Sohn nicht in Flammen auf.

Gerald Singers spielerische, von manchen Rezensenten für zu unerst und oberflächlich gehaltene Inszenierung hat eine andere Qualität. Sie führt den Zuschauer zunächst in eine musikdurchflutete und mit bunten Wänden (Bühne: Christopher Speich) umrandete Familienidylle, um dann jegliche Vorstellung von der Sicherheit eines solchen Hortes in aller, unbefangen ausgespielter, Unschuld zu untergraben. Die von Wolfram Rupperti und Simone Mende comichaft überzeichneten Eltern sind von jener Art Toleranz, die an Lieblosigkeit grenzt. Sie "beglücken" ihren Nachwuchs mit Aufklärungstiraden und drücken den Freund der Tochter (Claudia Wiedemer), einen von Wolfgang Michalek herrlich gespielten "Blödmann", an ihre Brust. "Ich werde nie wie die. Niemals", bricht es aus dem Sohn (Georg Staudacher).

In inzestuöser Liebe mit seiner Schwester zusammengekuschelt, entzündet sich sein Aufschrei an Wattewänden. Zunächst liegt eine tote, angesengte Amsel am Küchentisch, dann brennt die Schule - und ehe man es sich versieht, blickt man auf Tote. Man wüßte gerne, was der Autor über diese mehr subversive als blutdramamäßige Lesart seines Stückes denkt.

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