Werbung
Werbung
Werbung

Monumentales Erwachen

Man ist unter sich und man will es bleiben: Luca Guadagnino gibt diese Distanz weiter, wenn er mit "I Am Love“ hinter die Fassaden einer alten Mailänder Tuchfabrikantenfamilie vordringt. Nicht nur deren Anwesen hat den Charakter einer Burg, auch die Familie Recchi selbst wahrt eine feudale Existenz, mit Sitzordnungen vom Essen bis zu den Lebensplänen. Die Zeichen der Freiräume, die es gibt, sickern nach dem Tod des Patriarchen zu Emma, der Frau des neuen Familienoperhaupts, durch. Plötzlich ist da mehr als die Sicherung der Erbfolge und die Repräsentationspflicht, die sie mit der Haltung einer Statue wahrnimmt: Beim zaghaften Entdecken der Leidenschaften ihrer Kinder fügt sich in ihr ein Lebenswille zusammen, der vor langen Jahren gebrochen wurde. Bemerkenswert ist der symphonische "I Am Love“ weniger durch seine Geschichte, sondern seiner Ausführung wegen, mit u. a. einer der packendsten finalen Szenen, die jemals auf eine Leinwand kamen. Die als Emma bravouröse Tilda Swinton beherrscht den Film. Ein monumentales Drama, auch dank John Adams, in dessen Musik sich die volle Pracht entfaltet. (Thomas Taborsky)

I Am Love (Io sono l’amore)

I 2009. Regie: Luca Guadagnino.

Mit Tilda Swinton, Flavio Parenti.

Verleih: Filmladen. 120 Min. Ab 11. 2.

Ein erster Versuch, nicht mehr

Ein Film über das Sudetenland ist immer noch ein Wagnis. Der jüdisch-slowakische Regisseur Juraj Herz versuchte es: "Habermann“, frei nach Josef Urbans Novelle, ist die Geschichte des sudetendeutschen Industriellen August Habermann und seiner halbjüdischen Frau. August betreibt ein Sägewerk in der Tschechoslowakei, er ist ein Unpolitischer mit moralischen Grundsätzen. Alles wird anders, als das Sudetenland 1938 von Deutschland annektiert wird: Nur sein jüngerer Bruder Hans freut sich über die Nazis in feschen Uniformen, die ihm versichern, mehr wert zu sein als die Tschechen. August hingegen hat alle Hände voll zu tun, sein Unternehmen, seine Arbeiter und die tschechischen Freunde zu schützen. Doch 1945 wendet sich alle Wut gegen die Deutschen im Land. Regisseur Herz versucht, ein Aufrechnen von jüdischem, deutschem und tschechischem Leid zu vermeiden. Für einen bloßen Griff in die emotionale und dramatisch-musikalische Trickkiste ist das Thema aber viel zu heikel: "Habermann“ kann höchstens als erster Versuch einer Aufarbeitung gelten, letztlich ist der Film aber eine vergebene Chance. (Magdalena Miedl)

Habermann

D/CZ 2010. Regie: Juraj Herz. Mit Mark Waschke, Hannah Herzsprung. Verleih: Thimfilm. 104 Min.

Meisterwerk spröder Liebenswürdigkeit

Endlich kann Ulrik den Duft der Freiheit genießen: Jahrelang ist er für ein Tötungsdelikt eingesessen, nun öffnen sich die Gefängnistore. Doch das Ankommen im wirklichen Leben ist alles andere als leicht. Da ist der Ex-Kumpan, der Ulrik bei der Polizei verpfiffen hat. Dann der Unterweltboss Jensen, der ihn wieder vor seinen Karren spannen will. Und das Zurückkehren heißt auch, das Sexualleben neu zu ordnen: Da nimmt Ulrik schon mit der reschen, aber in die Jahre gekommenen Karen Margrethe, Schwester von Jensen und Zimmerwirtin des Loches, in dem er hausen muss, vorlieb. Aber dann tun sich hier wie auch im weniger triebgesteuerten Leben neue Optionen auf.

Wie sich dieser Schlemihl namens Ulrik langsam seine Lebensqualität erarbeitet und auch aus den Gesetzen der Unterwelt freikämpft, davon handelt die sympathische wie berührende Komödie "Ein Mann von Welt“ des norwegischen Regisseurs Hans Petter Moland.

Nicht zuletzt dank seines Hauptdarstellers Stellan Skarsgård, aber auch dem herben Charme der anderen Darsteller/innen (allen voran Jorunn Kjellsby als Karen Margrethe) gelingt ein Meisterwerk spröder Liebenswürdigkeit, das sein Augenmerk auf jene kleinen Freuden richtet, die ein vordergründig verpfuschtes Leben auf seine Weise lebenswert erscheinen lassen. (Otto Friedrich)

Ein Mann von Welt (En ganske snill mann)

N 2010. Regie: Hans Petter Moland. Mit Stellan Skarsgård, Bjørn Floberg,

Verleih: Polyfilm. 107 Min.

Bollywood grotesk

Von der Kritik bei der Berlinale 2010 gefeiert: Die Bollywood-Komödie "Live aus Peepli“: Das Land des indischen Bauern Natha soll zwangsversteigert werden. Da bekommt er von einem Lokalpolitiker den Rat, sich doch umzubringen: So würde seine Familie in den Genuss eines staatlichen Zuschusses kommen. Sein Bruder drängt Natha dazu, doch dann überschlagen sich die Ereignisse - Politik und Boulevardmedien fallen in Peepli ein … (red)

Live aus Peepli - Irgendwo in Indien (Peepli Live)

IND 2010. Regie: Mahmood Farooqui, Anusha Rizvi. Mit Omkar Das Manik-

puri. Verleih: Polyfilm. 105 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung