Fotohistoriker der Industrie

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Die Linzer Landesgalerie zeigt Fotografien von Bernd und Hilla Becher.

Bernd und Hilla Becher zählen zu den einflussreichsten Künstlern der letzten Jahrzehnte - ausgezeichnet mit unzähligen Preisen, darunter auch dem Goldenen Löwen der Biennale Venedig (1990). Dass es sich bei der aktuellen Präsentation des Künstlerpaars in der Landesgalerie Linz um die erste umfangreiche Einzelausstellung eines österreichischen Museums handelt, ist daher kaum zu glauben.

Sowohl medial als auch inhaltlich erscheint diese ausgesprochen ästhetisch gestaltete Ausstellung wie geschaffen für die Voest-Metropole Linz, denn Hilla und Bernd Bechers Werk kreist stets um die Schnittstelle zwischen Kunst und Industrie, wie Landesgalerie-Leiter Martin Hochleitner erklärt: "Linz ist eine Industriestadt, die seit den 1970er Jahren die Kultur zu einem immer prägenden Identitätsfaktor machen konnte. Das Werk von Bernd und Hilla Becher führt bestechend vor, wie sehr ihre gemeinsamen Fotografien das Bewusststein um die entscheidenden Verbindungen von Kultur-und Industriegeschichte nicht nur vermittelt, sondern auch maßgeblich geprägt hat."

Kultur und Industrie

Berühmt wurde das Fotografenpaar durch menschenleere Schwarzweißfotografien industrieller Anlagen, weshalb sie gerne als "Historiker des Industriezeitalters" bezeichnet werden. Seit 1959 reisen Bernd und Hilla Becher quer durch Europa und die USA und fotografieren Hochöfen, Zement-und Kalkwerke, Wasser-und Fördertürme, ganze Zechanlagen. Dabei achten sie auf die stets gleichen Aufnahmebedingungen - diffuses Licht und Sonnenschein - und fotografieren stets von einem erhöhten Aufnahmestandpunkt. Ob ein Foto von Bernd oder Hilla Becher gemacht wurde, spielt keine Rolle. Oft wissen sie es selbst im Nachhinein nicht, wer den Auslöser gedrückt hat. Bernd und Hilla Becher wurden somit auch zum Synonym für das gleichberechtigte Künstlerpaar, das ein gemeinsames, nicht unterscheidbares Werk hervorbringt.

Die Aufnahmen vor Ort machen nur einen kleinen Teil des künstlerischen Prozesses aus. Charakteristisch wird die Arbeit von Bernd und Hilla Becher erst durch die serielle Anordnung - das Zusammenfassen der Einzelbilder zu Typologien, die ein Vergleichen möglich machen.

Im Zentrum der von der Photographischen Sammlung in Köln und dem Künstlerpaar erstellten Präsentation stehen 200 Aufnahmen der Zeche Concordia (1967-1970).

An sich ein eher untypisches Becher-Projekt, denn im Unterschied zu den Typologien, bei denen ähnliche Bauwerke verschiedener Herkunft nebeneinander gezeigt werden, führt es die fotografische Erforschung eines gesamten Steinkohlewerks mit angeschlossener Kokerei vor Augen. Ausgehend von einer Überblicks-Fotografie erschließt sich die weitläufige Anlage Foto für Foto. Von den Fördertürmen über die Schachtanlagen und Kohlebunker bis zu den Kühltürmen ergeben sich immer wieder neue Perspektiven auf die 1968 stillgelegte Anlage. Ergänzt wird diese künstlerische Dokumentation einer Industrieanlage durch eine Fotoreihe von Fachwerkhäusern und Siegener Ortsansichten.

Dokumentarische Fotokunst

Eine Ausstellung, die man sich nicht entgehen lassen sollte, denn der Name Becher steht nicht nur für einen dokumentarisch-wissenschaftlichen Ansatz in der Kunst, sondern auch für das Erstarken fotografischer Strategien und das Vordringen des Mediums Fotografie in Sphären des Kunstmarktes, die vorher undenkbar erschienen. Aus der 1976 von Bernd Becher übernommenen Fotografieklasse an der Düsseldorfer Kunstakademie bildete sich eine eigene "Becher-Schule" heraus, aus der renommierte Foto-Künstler wie Candida Höfer, Andreas Gursky und Thomas Struth hervorgingen.

Bernd & Hilla Becher:

Zeche Concordia

Landesgalerie Linz

Museumstraße 14, 4010 Linz

www.landesgalerie.at

Bis 14. 5. Di-Fr 9-18, Sa, So 10-17 Uhr

Katalog: Bernd und Hilla Becher: Zeche Concordia, Kataloge der OÖ Landesmuseen, Linz 2007, 55 S., € 19,-

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