Frauen und Kinder unter sich

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Ein Haus in voller Größe, das heißt, Länge und Höhe stimmen, allerdings gestaucht auf einen Meter Breite: Noch ein paar Tage können Sie dieses seltsame Gebäude im Essl Museum sehen. Betreten kann man es auch - wenn man den Bauch einzieht. Das Interieur als verzerrter Doppelgänger eines Nullachtfünfzehn-Heims. Für Kinder ein großer Spaß.

Es ist eine bewährte Methode der Kunst (das Haus ist ein Kunstwerk von Erwin Wurm), Verhältnisse zu verändern, verschieben, vertauschen. Da darf sie sich schon einmal bei der Schaustellerei bedienen. In meiner Kindheit gab es im Wiener Prater das schiefe Haus - ob das noch existiert?

Aber zurück zur Kunst. Wie es der Zufall will, steht derzeit auch in unserem Museum ein Haus. Ein ganz anderes. Die Künstlerin Mathilde ter Heijne hat ein chinesisches Holzhaus nachgebaut. Wozu? Es steht für die Lebensweise des chinesischen Stammes der Mosuo, eines Matriarchats. Während man in der gemütlichen Stube sitzt und den exotisch-würzigen Holzduft atmet, kann man sich über die Mosuo kundig machen. Unser Konzept von Ehe und Familie ist ihnen fremd. Im Clan leben Frauen mehrerer Generationen mit ihren Kindern unter einem Dach, und im Familienhaus bleibt man das ganze Leben lang. Liebesbeziehungen funktionieren als "Besuchsehe“. Jeder Mann ist bei der Mutter seiner Kinder immer nur Gast, sein Heim ist das Haus seiner Mutter. Onkel ersetzen Väter als kontinuierlich anwesende männliche Bezugspersonen. Faszinierend.

Keine Scheidungsdramen. Keine traumatischen Trennungen von Vater oder Mutter, keine Güterteilung, keine Zwangsverkäufe mühsam erarbeiteter Immobilien, keine Rosenkriege. Was für ein geniales Konzept, dieses Modell!

Na, sagen Sie, so paradiesisch wird das wohl nicht sein. Wahrscheinlich nicht … Aber den Hinweis brauchen wir immer wieder: dass nichts so sein muss, wie es ist.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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