Frühlingsgefühle im Herbst des Lebens

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Fanny Ardant blüht in "Die schönen Tage" als Liebende eines 20 Jahre Jüngeren nochmals auf. Eine Hommage an die große Schauspielerin.

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Fanny Ardant blüht in "Die schönen Tage" als Liebende eines 20 Jahre Jüngeren nochmals auf. Eine Hommage an die große Schauspielerin.

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Caroline (Fanny Ardant) ist 60 und hat ihren Job als Zahnärztin soeben hingeschmissen. - Doch was macht man mit der Freizeit, die man nun in Fülle hat? Ihre beiden erwachsenen Töchter schenken ihr Kurse in einem Seniorenzentrum, dessen Name "Die schönen Tage" dem Film den doppeldeutigen Titel gab.

Doch die Schauspiel-, Tanz-, Mal- und Töpferstunden öden die Neo-Pensionistin an. Auch der Gedanke an den Tod lässt sie nicht los, seit vor wenigen Monaten ihre beste Freundin an Krebs gestorben ist. Zum alten Eisen will sie sich noch nicht abschieben lassen, sondern aktiv am Leben teilnehmen. Aber wie soll sie die unweigerlich begrenzte Zeit, die ihr bleibt, nützen? Was soll sie mit ihrem Leben noch machen? Wie kann sie aus dem langweiligen Alltagstrott ausbrechen?

Eine Affäre unter anderen

Wenig Interesse zeigt sie auch für den Computerkurs, den sie auf Anregung ihres Mannes Philippe (Patrick Chesnais), der ebenfalls Zahnarzt ist, im Seniorenzentrum besucht. Gefallen findet sie allerdings am Leiter des Kurses, dem notorischen Frauenheld Julien (Laurent Lafitte), der etwa so alt ist wie ihre Töchter.

Etwas Festes wird daraus kaum, denn der Enddreißiger hat daneben auch andere Affären, und auch Caroline ist sich unschlüssig, denn ihren Ehemann möchte sie ja auch nicht verlieren.

Ganz undramatisch erzählt Marion Vernoux ("Rien à faire ") in ihrem ersten Kinofilm seit neun Jahren. Sie entwickelt nicht zwingend und stringent eine Geschichte, sondern lässt ihren Film so mäandern wie Caroline sich durch das Leben treiben lässt. Einfühlsam vermittelt sie damit, wie ihre Protagonistin tastend nach einem neuen Sinn sucht, der die Leere des Pensionistendaseins füllt.

In erster Linie ist diese zarte Dramödie eine Plattform für Fanny Ardant, die François Truffaut, mit dem sie auch bis zu seinem Tod liiert war, in den frühen 1980er Jahren mit "La femme d'a côte" und "Vivement Dimanche" zum Star machte. Nur selten war sie in den letzten Jahren im Kino zu sehen, einen kleinen Gastauftritt hatte sie zuletzt in Paolo Sorrentinos "La grande bellezza".

Einfach schön ist es nun ihr zuzusehen, wie sie als Caroline auf der Suche nach dem Glück im Herbst des Lebens ist, wie sie nochmals ihre Anziehungskraft auf Männer prüft, die Liebe zu dem jüngeren Mann genießt und sich plötzlich wie ein Teenager verhält, die Zigarette im Weinglas löscht und bekifft mit Glas und Joint im Bett liegt.

Sanfte Melancholie

Ardant, die auch mit 64 noch blendend aussieht, ist das Herz und Kraftzentrum des Films, doch versteht es Vernoux auch, die Geschichte atmosphärisch stimmig in die raue Atlantikküste einzubetten. Die Grauund Blautöne des Herbstes und der nur noch spärlich besuchte Strand korrespondieren perfekt mit dem Alter Carolines, gleichzeitig vermitteln kräftige Farbtupfer wie ein rotes Auto oder Juliens ebenfalls rotes T-Shirt auch die Frische und Dynamik, die die neue Liebe in ihr Leben bringt. Und in wiederkehrenden Spaziergängen am Strand findet Vernoux mit der Grenze von Festland und Meer auch ganz beiläufig ein treffendes Bild für die Grenze im Leben, an der sich Caroline befindet.

Genau beobachtet und nah am Leben ist das, besticht durch glänzende Dialoge und treffliche Besetzung. Lustvoll agiert an Ardants Seite Laurent Lafitte als junger Lover, der jede Gelegenheit für einen Flirt und eine Affäre nützt, viel Charme versprüht der wunderbar zurückhaltende Patrick Chesnais als ihr Ehemann.

Obwohl sanfte Melancholie "Die schönen Tage" durchzieht, bewahrt diese Dreiecksgeschichte durch die lockere Erzählweise und den sanften Blick doch eine typisch französische Leichtigkeit und verströmt einen Optimismus, der dem Altern den Stachel zieht.

Die schönen Tage (Les beaux jours) F 2013. Regie: Marion Vernoux. Mit Fanny Ardant, Laurent Lafitte, Patrick Chesnais, Jean-François Stévenin, Fanny Cottençon. Filmladen. 94 Min.

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