Galerie-Rundgang mit Hartwig Bischof

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Räume leben

Üblicherweise messen wir Räume der Länge, der Breite und der Höhe nach ab. Mit diesen geometrischen Hilfsmitteln glauben wir auch bei der Herstellung unserer Lebensräume das Auslangen finden zu können. Mit Länge, Breite und Höhe ermitteln wir den Raumbedarf unserer Häuser, ermessen die notwendigen Stell- und Lebeflächen für unseren alltäglichen Gebrauch und gleichen ganz nebenbei unter dieser Oberherrschaft der Geometrie Unebenheiten einer begradigten Idealfläche an. Das Ei des Kolumbus verweigert sich zwar dieser Tendenz, dafür haben wir aber Eierbecher erfunden. So können wir Dinge stapeln, ordnen, Platz sparen - haben Räume unserer begrenzten Einteilungssucht unterworfen. Und merken nicht, dass niemand in diesen so hergerichteten Räumen leben kann.

Betritt man den Galerieraum mit den Bildern von Esther Stocker, so sagt die mentale Reflexion, dass sich hier eine Vermessungskünstlerin daran macht, die Welt für uns fein säuberlich einzuteilen. Die optische Reflexion hält aber eine andere Botschaft bereit, sie weiß: Räume sind Lebewesen. Die äußerste Reduktion in Form und Farbe, die uns ein Liniengeflecht in Schwarz und Weiß vorstellt und Monotonie oder Raumleichenstarre wie in einem Seziersaal erwarten ließe, steht in diesen Arbeiten von Esther Stocker in scharfem Kontrast zum tatsächlichen Erlebnis. Denn die Linien beginnen unter unseren Blicken zu zittern, sie wachsen aus der flachen Bildoberfläche heraus, umgarnen die Betrachter, nehmen sie optisch gefangen. Die Räume auf Esther Stockes Transformationen sind wie alle Räume, sie leben; sie müssen genährt und gepflegt werden; sie können wandern, groß werden und auch wieder verschwinden; sie können tragen, angreifen und zärtlich werden; sie können wie Pfeiler in der Brandung stehen und sie können wie Schäferwölkchen fragil schweben. Esther Stocker hält uns diese Einsichten nicht nur vor, sondern sie kümmert sich augenscheinlich gut um sie als bildnerische Raumpflegerin.

Galerie Krobath Wimmer

1010 Wien, Eschenbachgasse 9

bis 17. Mai 2003

Di-Fr 13-18, Sa 11-15 Uhr

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