Gefährdetes „Ökosystem“

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Vom Wunschdenken war mehrfach die Rede, als jüngst bei einer vom Medienhaus Wien veranstalteten Konferenz sich Experten aus aller Welt über die Zukunft des Journalismus die Köpfe heiß redeten. Phil Meyer, der Grandseigneur der US-amerikanischen Journalismus-Forschung, setzt große Hoffnungen in die Spendenbereitschaft seiner Landsleute. Sie sollen dafür sorgen, dass der Journalismus auch dann überlebt, wenn er sich nicht mehr weitgehend aus den Werbeerlösen der Verlage finanzieren lässt. Alan Rusbridger, der als Chefredakteur des Guardian zu den Wegbereitern eines hochwertigen Online-Journalismus zählt, hofft als ultima ratio auf Subventionen für die notleidenden News-Websites.

Derweil hat das „Project for Excellence in Journalism“ in seinem neuen Jahresbericht vorgerechnet, dass allein in den USA die Zeitungsredaktionen in den letzten drei Jahren um 15.000 Journalisten geschrumpft sind – das sind mehr als ein Viertel aller Jobs, die es 2007 noch gab. Machen wir uns nichts vor: Das bedeutet Existenzgefährdung für das „Ökosystem“ Journalismus. Solch massive Einschnitte lassen sich weder durch Spenden noch durch Subventionen auffangen. Weshalb ich Meyer und Rusbridger nur mein eigenes Wunschdenken entgegenzusetzen vermag: Mögen die Verlage, statt alles gratis ins Netz zu stellen, was sie gedruckt noch verkaufen möchten, endlich Vernunft annehmen und – wie Le Monde und Times das jetzt in Europa ausprobieren – ihre Online-Leserinnen und Leser davon überzeugen, dass journalistische Qualität und Unabhängigkeit auf Dauer nicht gratis zu haben sind. Schon die Wortschöpfung „Paywall“ ist eine Absurdität: Kein Limonadenhersteller, kein Bäckermeister käme auf die Idee, von einer „Bezahlschranke“ zu reden, nur weil er von seinen Kunden für die Ware, die er liefert, eine faire, angemessene Gegenleistung erwartet.

* Der Autor ist Kommunikationswissenschafter in Lugano/CH

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