Gegen die Verzweiflung forschen

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Als die zwölfjährige Ich-Erzählerin Su vom Tod ihrer besten Freundin Franny erfährt, hört sie auf zu sprechen. Zieht sich von allen und fast allem zurück. Und ist ganz allein mit ihren Erinnerungen, die mittels eingeschobener Rückblenden erzählt werden: Zu den vielen schönen Momenten einer gemeinsamen Kindheit kommen aber unversehens auch weniger schöne. Denn im Laufe der sechsten Klasse hatte sich etwas verändert zwischen den Mädchen. Franny hatte begonnen, sich für Jungs, Haare und Klamotten zu interessieren und die Freundschaft mit gleichgesinnten anderen Mädchen zu suchen. Während Su mit der Trennung ihrer Eltern zu ringen hatte -und mit dem zunehmenden Gefühl des Verlusts ihrer Freundin. Um Franny an den gemeinsamen Schwur zu erinnern, nie so zu werden wie die anderen Mädchen, setzte die verzweifelte Su schließlich ein starkes Zeichen Das war der Tag, an dem sie ihre Freundin das letzte Mal sehen sollte -mit Tränen in den Augen. Und nun gibt es keine Möglichkeit mehr, alles wieder gutzumachen.

Die Frage nach dem Warum

Anstatt Trauer, Schmerz und Schuldgefühle zuzulassen, wird Su also stumm und konzentriert sich auf eine große Frage: WA-RUM? Wie kann es sein, dass eine gute Schwimmerin ertrinkt? Wie kann es sein, dass ihre beste Freundin tot ist? Die Antwort will sie in der Wissenschaft finden, denn deren Aufgabe ist es, laut ihrer Naturkundelehrerin, nach Erklärungen zu suchen, die einem sonst niemand geben kann. Nach einem Klassenausflug ins Aquarium weiß Su auch, in welche Richtung sie forschen muss: Bei den Quallen, diesen unergründlichen Tieren, die mit ihrem Sekret den Menschen große Schmerzen zufügen können. Auf der Suche nach Antworten entschließt sie sich sogar dazu, ihre Familie zu verlassen, um bei einem Quallenforscher in Australien Rat zu suchen. Und merkt, wie schwer es ist, sich von den Menschen, die man liebt, zu verabschieden.

Zwar endet Sus heimlich geplante Reise schon auf dem Flughafen, führt aber ungeachtet dessen zu einer großen Erkenntnis: Ihre Freundin wird nicht mehr zurückkommen, nie wieder. In diesem Moment durchbricht das Mädchen die Stille ihres Schweigens, kann endlich ihre Trauer und damit auch einen Neuanfang -mit neuen Freunden und einer neuen Familiensituation -zulassen.

Ali Benjamnis erfolgreiches Debüt ist eine leise Geschichte über ein Mädchen, das viel verliert und daran fast verzweifelt. Am Ende aber zu der reifen Erkenntnis gelangt, dass man Dinge, die man nicht ändern kann, annehmen muss. Die mutige Protagonistin erweist sich als aufmerksame und kritische Beobachterin, deren kluge Gedanken einen mit Leichtigkeit durch diese schwere Erzählung tragen. Kein Wunder, dass der 2015 unter dem Titel "The thing about jellyfish" erschienene Erstling der in Massachusetts lebenden Redakteurin zu einem weltweiten Bestseller avanciert ist, der zurzeit auch verfilmt wird.

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