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U Thants Dschungelschatz

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U Thant hat anläßlich der Bedrohung der Ruinenstadt von Angkor Vat durch Nordvietnam und Vietkong einen Appell erlassen, daß „angesichts der Ausdehnung der Feindseligkeiten auf Kambodscha“ doch vor allem Angkor Vat geschont werden soll, das heißt, auch wenn die Verteidiger des Landes es preisgeben müßten.

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U Thant hat anläßlich der Bedrohung der Ruinenstadt von Angkor Vat durch Nordvietnam und Vietkong einen Appell erlassen, daß „angesichts der Ausdehnung der Feindseligkeiten auf Kambodscha“ doch vor allem Angkor Vat geschont werden soll, das heißt, auch wenn die Verteidiger des Landes es preisgeben müßten.

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Diese Fürsorge für einen der schönsten Kunstschätze Asiens in allen Ehren — aber warum hat U Thant sein Herz erst jetzt entdeckt? Die „Ausdehnung der Feindseligkeiten auf Kambodscha“ ist doch schon Jahre alt! Das begann schon seit der Errichtung des ersten Krigsasyls („Sancturaries“), welches die gegnerischen Truppen zum Angreifen und Verjagen der Feinde aus dem angeblich neutralen Gebiete berechtigt hätte. Deshalb wollte ein Vertreter des Generalsekretärs auch nicht die Frage beantworten, ob unter „Ausdehnung“ die Errichtung oder die Vernichtung der Kriegsasyle zu verstehen ist.

Gewiß ist es rühmenswert, daß der UNO die Ruinen von Angkor Vat und Angkor Thom, die keiner vergessen kann, der sie durchwandert hat, so am Herzen liegen. Aber denken wir nach: sind sie wirklich so viel wertvoller als ein paar hunderttausend Menschen, darunter Frauen und Kinder, die aus diesen „Asylen“ heraus umgebracht oder verstümmelt, verjagt und verelendet wurden? Hätte nicht schon diese Aussicht Diplomaten wie U Thant veranlassen können, ihre warnende Stimme gegen den völkerrechtlichen Unfug der „Kriegsasyle“ zu erheben? Sind die kostbaren Steine so viel mehr wert als lebende Menschen?

Fast ein Jahrtausend hat es unbekannt im Dschungel geschlummert, überwuchert van tropischer Vegetation. Die Khmers, die es gebaut haben, sind, ein noch ungeklärtes Rätsel der Geschichte, verschwunden. Die Kambodschaner, die ins Land kamen, haben mit ihnen ebensowenig gemein wie die Türken Vorderasiens mit den Helden Trojas. Sie wußten nicht einmal etwas von den überwucherten Ruinen im Märchenwald. Bis die Franzosen kamen, die „verruchten Kolonialisten“, die den Schatz entdeckten und mit dem Aufwand von viel Arbeit und von Millionen Franken die Feenstadt aus dem Urwald ausgruben. Wem gehört sie also von Rechts wegen — denen, die keine Ahnung von ihrer Existenz hatten und nur auf dem Boden leben, auf dem ein ganz anderes Volk sie erbaut hatte, oder denen, die sie entdeckt und mit Geld und Arbeit der Welt wiedergegeben haben?

Ein müßiger Gedanke — oder ein Leitfaden durch die Geschichte und Geographie für die Wertung derer, die Werte entdecken oder schaffen und jener, die sie in Anspruch nehmen, ohne etwas dazu getan zu haben. „Sie säen nicht und sie ernten nicht“, aber ihre offene Hand ballt sich leicht zur drohenden Faust.

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