Angkor Wat, die magische Ruinenstadt

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Bei den alten Heiligtümern Kambodschas

Nein, Spuren einer vergangenen Metropole in diesem Teil Kambodschas konnte ich nicht entdecken. Unterwegs zwischen den prächtigen Ruinenstätten fuhr mein Miettaxi nur am Dschungel und an Feldern mit Bauernhäusern vorbei. Den ländlichen Charakter dieser Gegend komplettierten die Schweine, die uns manchmal überholten. Auf dem Rücken hatte man sie an die Transportflächen von Motorrädern angebunden, ihre Beine strampelten dabei in der Luft. Im 12. und 13. Jahrhundert war aber Angkor Wat, versicherte mir mein Führer, die größte Stadt der Erde.

Urkraft der Natur

Von der urbanen Kultur, die einst hier gedieh, wissen wir nur wenig. Wichtiger für uns sind die Tempel. Früher gab es über 1.000 davon in dieser Gegend Kambodschas, manche so umfangreich wie große Siedlungen, deren Mauern kostbare Steinplastiken schmückten. Einer davon, Angkor Wat selbst, gilt heute noch als das ausgedehnteste sakrale Bauwerk der Welt. Ein Großteil der Heiligtümer ist allerdings schon von Vegetation überwuchert und so für immer verloren. Nur ungefähr 40 davon konnten Archäologen bislang wiederherstellen. Gelegentlich ließen sie die auf den Tempelbauten wachsenden Bäume stehen, die die Urkraft der tropischen Natur ersichtlich machen sollten. Es ist unglaublich, dass Wurzeln in der Lage sind, steinerne Mauern zu durchbrechen.

Die prachtvollen Tempel entstanden zwischen dem 7. und 13. Jahrhundert. Offensichtlich wollte sich jeder neue Thronfolger ein architektonisches Denkmal schaffen. Vielleicht dienten sie auch als Zeichen dafür, dass die Macht des Herrschers unumschränkt und seine Stellung unanfechtbar war. Zu Ruhm und Ehre gelangte man meistens nur über die Leichen der Konkurrenten; Tag und Nacht intrigierten die Rivalen, heckten die Besiegten Rachepläne aus.

Für die Bauprojekte waren viele Arbeitskräfte erforderlich. Im 12. und 13. Jahrhundert lebten ungefähr eine Million Menschen um Angkor Wat. Ihr Wohlstand versetzte Besucher in Erstaunen, so berichtete der chinesische Diplomat Chou Ta-kuan im 13. Jahrhundert: " Da Reis leicht zu haben, Möbel leicht zu machen, Handel leicht zu treiben ist, Frauen leicht zu überreden und Häuser leicht zu bauen sind, gibt es viele Seefahrer, die sich hier fest niedergelassen haben."

Um mir das Erfolgsgeheimnis des Khmerreiches vor Augen zu führen, brachte mich mein Reiseleiter zu einem künstlichen See. Ihn zu durchschwimmen hätte eine enorme sportliche Leistung erfordert, maß er doch zwei mal acht Kilometer. Mit Hilfe einer ausgeklügelten Bewässerungstechnik, die das geringe natürliche Gefälle des Geländes nutzte, konnte man Reis statt nur einmal zwei- bis dreimal jährlich ernten. Ende der Siebzigerjahre wollte übrigens die berüchtigte "Rote Khmer"-Bewegung dieses System reaktivieren. In ihrer Besessenheit, Kambodscha in eine urkommunistische Agrarnation umzugestalten, zerstörte sie Städte und ermordete alle Intellektuellen, deren sie habhaft werden konnte. Letztendlich scheiterte sie in ihrer revolutionären Zielsetzung mit der totalen Zerstörung des Landes und einer Million Toten in ihrem Gefolge. Das erklärt die aktuelle allgegenwärtige Armut. Bei den Tempelbesuchen verfolgten mich zum Beispiel mit Fächern bewaffnete Einheimische. Sie hofften, mir mit dem kühlenden Luftstrom einige Münzen zu entlocken.

Die meisten Tempel waren dem Hinduismus geweiht. Diese Religion hatten indische Seefahrer und Händler nach Kambodscha gebracht. Ihre Göttervielfalt spiegelt die unterschiedlichen Bereiche der Schöpfung wieder: Shiva verkörpert beispielsweise die Zerstörung und Erneuerung, Vishnu das Prinzip der Erhaltung, letztlich aber verstehen Hindugelehrte alle diese Wesen zusammen als Einheit, als einzelnen Gott. Im Devaraja-Kult, der besonders in Kambodscha verbreitet war, verschmilzt der Herrscher nach seinem Tod mit dem Hauptgott und wird gemeinsam mit ihm verehrt.

Einige spätere Könige bevorzugten den Buddhismus, der inzwischen zur Hauptreligion des Volkes avanciert ist. An ihren Bauwerken bestaunte ich die Riesengesichter, die zum Inbegriff für Kambodschas Sakralbauten geworden sind. Das geheimnisvolle sanfte Lächeln zog mich völlig in seinen Bann, so dass ich die Augen nicht mehr von ihnen wenden konnte. Sie zeigen das Antlitz des Königs, der einst hier herrschte. Er war nicht nur irdischer Monarch, sondern angeblich auch ein erleuchtetes Wesen, ein Boddhisattva. Nur aus Mitleid blieb er auf der Erde, um den Kummer der normalen Menschen zu teilen, anstatt sich ins Nirvana zu begeben. In seiner strengen Ausprägung kennt der buddhistische Glaube keine Götter, denn Buddha war "nur" ein Mensch, der den Weg zur Erleuchtung fand. Es entwickelten sich jedoch in Kambodscha wie auch anderswo Mischformen, in welchen auch Shiva und Vishnu zusammen mit unzähligen Naturgeistern und Ahnen ihren festen Platz finden.

In der antiken Kultur war man bestrebt, den angebeteten Wesen so zu dienen, als wären sie hohe Adelige aus Fleisch und Blut. Täglich mussten sie geweckt, gebadet, gekleidet, bekocht und mit Musik unterhalten werden. Die Tempel selbst sind Nachbildungen des mystischen Berges Merus; durch einen Wassergraben der den Urozean darstellen soll abgegrenzt, erheben sie sich pyramidenförmig über eine Serie von terrassenartigen Plattformen. Je bedeutender ein Gott eingestuft war, desto höher oben durfte er wohnen. Die allerwichtigsten wurden in den zu Fünfergruppen angeordneten Zentraltürmen untergebracht.

Nicht ungefährlich

Nach Abklingen des blutigen Bürgerkrieges in Kambodscha hat sich Angkor Wat erneut rasch zu einem beliebten Touristenziel entwickelt. Hotels und Restaurants stehen hier in allen Kategorien zur Verfügung. Die Gegend gilt nun als sicher für Touristen, in einigen anderen Landesteilen können aber noch Gefahren lauern; es ist daher vernünftig, sich vor dem Abflug genau zu erkundigen.

Im Jänner ist die Hitze halbwegs erträglich, von März bis Mai ist es zwar trocken, aber heiß und schwül, die übrigen Monate (vor allem der Oktober) bringen häufiger Niederschläge mit sich.

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