7091336-1994_30_01.jpg
Digital In Arbeit

Verzweifelte Suche nach den Verschollenen

19451960198020002020

Tausende Menschen gelten im ehemaligen Jugoslawien als vermißt. Die Angehörigen tun alles, um wenigstens ein noch so kleines Lebenszeichen zu bekommen.

19451960198020002020

Tausende Menschen gelten im ehemaligen Jugoslawien als vermißt. Die Angehörigen tun alles, um wenigstens ein noch so kleines Lebenszeichen zu bekommen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Toten sind mit militärischem Pomp begraben, die Invaliden werden in abgeschirmten Reha-Zentren auf ein Leben ohne Gliedmaßen und Sinnesorgane vorbereitet. Aber da ist noch eine dritte Gruppe im Gefolge des Krieges in ExJugoslawien, von der niemand - die Angehörigen ausgenommen - so recht etwas hören will: Die Zehntausenden Vermißten, Soldaten und Zivilisten, manche von ihnen schon seit drei Jahren verschollen, lieben sie in Gefangenenlagern? Leben sie überhaupt noch? Wo sind ihre Massengräber, wieso schweigen Armeekommandos und Regierungen?

Ljubica B. aus Zagreb zum Beispiel hatte einen Sohn, das einzige Kind. Im Herbst 1991 meldet sich Robert von der

Universität zur Front. Am 3. Jänner 1992 erhält Ljubica vom Kommando der 112. Brigade in Zadar die Mitteilung, daß Robert bei einem Spähtruppunternehmen vermutlich in Gefangenschaft geraten sei. Eineinhalb Jahre versucht Ljubica, Auskunft über ihren Sohn zu bekommen, sie reist an die Front, zum Roten Kreuz, kontaktiert die UNPROFOR, amnesty international, riskiert eine Reise ins feindliche Serbien zum Armeekommando nach Belgrad - vergeblich. Bis dann am 6. August 1993 vier Offiziere der 112. Brigade an ihrer Wohnungstür im Zentrum Zagrebs läuten: Sie teilen ihr mit, daß Roberts sterbliche Überreste in einem Plastiksack am Vortag bei einem

Austausch Gefangener und Toter von den Serben überstellt worden wären. Robert war seit eineinhalb Jahren tot und in einem Massengrab an der Front beerdigt worden und wurde nun mit 17 anderen Toten exhumiert und den Kroaten übergeben.

„Anfangs war es schrecklich", sagt Ljubica heute, „aber jetzt habe ich wenigstens Gewißheit, habe sein Grab hier in Zagreb und bin trotz allem erleichtert".

Zehntausende Angehörige in Kroatien, Bosnien und Serbien haben diese Gewißheit bis heute nicht, hoffen und bangen noch immer:

„Wenn es heiß ist, dann muß ich daran denken, daß mein Sohn fast verdurstet im Lager. Wenn es kalt ist, denke ich, daß er friert. Wenn ich von den Grausamkeiten höre, dann wünsche ich, daß er tot ist", sagte eine Mutter der Organisation der Angehörigen Vermißter aus Kroatien und Bosnien.

„Wo sind sie geblieben?" heißt die Aktion, die europaweit mit Infotischen, Unterschriftenaktionen und Demos auf die Suche der Mütter nach ihren Angehörigen aufmerksam machen soll.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung