Gewohnheit gegen Gewohnheit

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Dass sich Thomas Bernhard in Salzburg - der Stadt seiner Ausbildung, seiner journalistischen Tätigkeit und seiner Theatererfolge bei den Festspielen - besonders beliebt gemacht hätte, kann man nicht behaupten. Die Abneigung war gegenseitig.

Und heute? "Die Macht der Gewohnheit" auf dem Spielplan des Landestheaters Salzburg auf der Bühne 24 des Marionettentheaters eröffnet ganz andere, interessante Einblicke auf das Stück, als man es von Minettis Tonfall im Ohr und seinen Wutausbrüchen samt weggeschleudertem Kolophoniumbrocken vor Augen in Erinnerung hat. Marco Dott hat ein Stück des gegenseitigen Quälens mit dem von den Zirkusleuten seit 22 Jahren nicht aufgeführten Schubert'schem Forellenquintett inszeniert. Alle haben sich gegen Direktor Caribaldi verschworen: Der Jongleur, der Dompteur, der Spaßmacher und selbst die Enkelin. Ein Künstler gegen vier Ignoranten.

Eine Art Dekonstruktion der Oper

In dem auf sprachlichen Effekt mit unendlichen Wiederholungen und ständigem Insistieren basierendem Stück hat Dott die musikalische Komponente betont, die die zwanghaften Aktivitäten des Zirkuspersonals zu einem Psychoseminar werden lassen: Der ständig alle Spuren abwischende Jongleur Hanno Waldner, der Spaßmacher Walter Sachers, dem unentwegt die Mütze vom Kopf fällt, der betrunkene Dompteur Axel Meinhardt und die Enkelin Janina Raspe sind die Marionetten in Caribaldis Zwangzirkus, der mit seinem Cello alle zusammenhält. Bernhards Wortkunst ist schließlich bei Marcus Bluhm in besten Händen. Der Premierenbeifall war verdient.

Einen Sprung über die Salzach in das Haus für Mozart macht das Landestheater mit Puccinis "La Bohème". Man muss sich nicht als Purist gebärden, aber es gibt Situationen, in denen man sich fragt, ob man sich zu einer "modernen" Interpretation der Oper bekennen will. Das Meisterwerk des Verismo ist klar ein Rührstück, keine Frage. Doch Andreas Gergen ist mit seiner Inszenierung der Verführung erlegen, mit Versatzstücken aus einem Techno-Club samt der Beziehungsarmut und auch Kälte der Figuren untereinander und einem Irgendwo von Bühnenbild (fettFilm), abgesehen vom Café Momus eine Art Destruktion der Oper vorzuführen. Dagegen spricht eindeutig die Musik.

Das wie immer souveräne Dirigat von Mirga Graz inyte-Tyla ließ in der trockenen Akustik des Hauses die Musik (das Mozarteumorchester Salzburg) und die Stimmen zu laut zum Publikum kommen. Da die Handlung bekannt ist, hatten Shelley Jackson (Mimi), Hailey Clark (Musetta) sowie Luciano Ganci (Rodolfo), David Pershall (Marcello), Elliott Carlton Hines (Schaunard) und Raimundas Juzuitis (Colline) das Premierenpublikum auf ihrer Seite. Es belohnte die offensichtliche Mühe mit entsprechendem Dank.

Die Macht der Gewohnheit

Landestheater Salzburg, 20. März

La Bohème

Landestheater Salzburg,17., 19., 22. März

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