Alles neu macht der Mai, aber grundsätzlich bleibt alles fast beim alten. Wahlen stehen vor der Tür, also muß gestritten werden. NATO ja, NATO nein, draußen bleiben, reingehen, wann, gleich, morgen, in fünf Jahren oder gar nicht. Rudolf Kirchschläger verdeutlicht die Meinung der Mehrheit, trotzdem ein Gefeilsche. Halb, ganz, gar nicht neutral.
Der blaue Kopfabschneider heuert und feuert, ist klug und zur Zeit handsam, aber nur etwa 40 Prozent trauen ihm. Er sagt zum Beispiel nie etwas Antisemitisches, den Parade-Sichrovsky hat er auch, aber mir genügt, daß er die Mörder der Opfer exkulpiert. Billardstoß-Bandeantisemitismus. Jetzt soll und muß der Muzicant aufspielen. Wir warten!
SP-Sonderparteitag in Kärnten, Schüssel wiedergewählt, Ursula Stenzel klug und immer redegewandter. Auch Karl, der Enkel, will neue Höhen erklettern. Den Waldstein zum Beispiel. Schöne Aussicht von dort. Vorsicht, Absturzgefahr. Und unten schäumt die rauschende Thyssen. Ein Gezeter, Geseire und Getöse um der Geisse Bart - und nur wer weghört, hört denen zu.
Ich höre anderes, höre die Uhr der Geschichte schlagen, hör' wie sie tickt, eine Zeitbombe. Menschen leiden wie eh und je, weinen und fürchten sich wie überall auf der Welt, wo gestritten und geschlachtet wird. Wann war das mit dem Mosesberg, dem Musadagh, Armenien? Wer denkt noch dran? Wer an die Vertreibung der Serben in unseligen Ustascha-Zeiten aus Kroatien? Der Genozid des europäischen Judentums, die Vertreibung des Deutschtums aus der Tschechoslowakei, Optanten-Schicksal in Südtirol, Palästinenser? Und von Afrika will ich gar nicht reden.
Die Haare stehen einem zu Berg. Der Kapitalismus so brutal wie sein kommunistischer Antipode. Man schießt, sticht und vergewaltigt, Bomben fallen, Kinder schreien, und bei uns reden sie über Dinge, die Nichtigkeiten wären, wenn endlich der Konsens gefunden würde, der alle zusammenführt und das geschieht, was gut ist für Österreich.
So was bedrückt mich manchmal, trotz blühender Sträucher und Mailüfterln. Mich bedrückt, daß das Weltgeschehen in einer sehr brisanten Zeit von einer armseligen, sich aufplusternden Greißler-Mentalität zugedeckt wird. Der Ostbahn-Kurti würde sagen: "So schaut's aus."
