Grotesk auf den Punkt genau

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Totila -"Toto" - Blumen ist Holocaustforscher. Einer der besonders verbiesterten Art. Darum prügelt er auch seinen Chef Balthasar -"Balti" - Thomas krankenhausreif, weil der einen Auschwitz-Kongress zu einem werbegesponserten Event machen will. Toto ist mit sich selbst so im Unreinen, dass ihn auch die Manneskraft längst verlassen hat, was seiner Ehe mit der Tierärztin Hannah begreiflicherweise nicht guttut. Als ihm Balti dann noch die junge französische Jüdin Zazie Lindeau, mit der der Chef ein Verhältnis hat, an die Seite stellt, sieht Toto überhaupt rot. Doch Zazie und Toto haben ein gemeinsames Geheimnis: Beide sind Nachfahren von Klassenkameraden der deutschen Schule in Riga. Zazies Großmutter war Jüdin, Totos Großvater hingegen Nazi. Aus der Beziehung zwischen Täterenkel und Opferenkelin entwickelt der Film seine groteske Dynamik. Regisseur und Drehbuchautor Chris Kraus paraphrasiert in "Die Blumen von gestern" seine eigene Familiengeschichte. Es gelingt ihm dabei auch, die Problematik heutiger Erinnerungskultur zu persiflieren und auf den Punkt zu bringen. Man muss ob der Eskapaden des Schlemihl, der hier Toto heißt, und der von Lars Eidinger grandios gespielt wird, ebenso lachen wie über Jan Josef Liefers, der in der Rolle des Balti seine komödiantische Bosheit kongenial zur Geltung bringt. Und Adèle Haenels zwischen Unschuld und Durchtriebenheit changierende Zazie steht dem um nichts nach. Besonders authentisch stellt die 90-jährige Burgschauspielerin Sigrid Marquardt die Zeitzeugin Tara Rubinstein dar: Sie lässt in dieser Figur hinter deren Zynismus glaubhaft große Verletzlichkeit aufblitzen. Im August 2016, kurz nach Fertigstellung des Films, ist Marquardt verstorben.

Bei allem Spaß verliert Kraus aber weder den Ernst des Themas noch die schmerzlichen Fragen nach dem aufrichtigen Umgang mit der Last der Vergangenheit aus dem Blick. Das macht ihm zurzeit im deutschen Sprachraum keiner nach. Einmal mehr zeigt sich, dass in einer Farce mehr Körnchen Wahrheit zu platzieren sind als in langatmig ernsten Film-Abhandlungen.

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