Historie bedarf auch der Details

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Kann man einen TV-Dreiteiler mit fünfeinhalb Stunden Länge zu einem Kinofilm von immerhin noch 190 Minuten "umschneiden"? Kann man Zeitgeschichte, die zum Großteil aus Konspiration besteht, authentisch auf die Leinwand bringen? Darf man in solch einem Film die Alltagsdetails des Lebens etwa der 70er-Jahre nonchalant beiseite lassen? Dreimal Nein lautet die Antwort - und damit ist Carlos, der in Frankreich seine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, filmisch beizukommen eigentlich gescheitert. Hierzulande ist Carlos ja durch die Wiener Entführung der OPEC-Minister im Dezember 1975 in die Geschichte eingegangen. Über all das erzählt auch Olivier Assayas' Film "Carlos - Der Schakal". Allerdings merkt man der Kinofassung die Kürzung an, sie entpuppt sich als Aneinanderreihung von Episoden, die in der langen TV-Fassung einen Bogen ergeben mögen. Im Kinosaal vermisst man diesen doch stark. Schon der Vorspann weist darauf hin, dass es sich jedenfalls bei der Entschlüsselung der konspirativen Tätigkeiten um Fiktionen handelt. Das alles wirft die Frage auf, warum das aufwändige Projekt scheinbar so an den Fakten kleben bleibt, die es aber eben nicht liefern kann. Umgekehrt kümmert sich der Regisseur Assayas herzlich wenig um Details, die er sehr wohl darstellen könnte: Die Straßenbahnen in Wien sind nicht aus den 70er-Jahren, sondern ebenso aus dem 21. Jahrhundert. Auch - als weiteres Detail - dass Carlos in seinem Unterschlupf im Jemen splitterfasernackt herumrennt, scheint real unvorstellbar. Gleichzeitig ist zu konzedieren, dass Hauptdarsteller Édgar Ramírez dem Protagonisten eine glaubwürdige Gestalt verleiht, und dass der Film trotz allem einer wenig beleuchteten Historie Geltung verschafft. (Otto Friedrich)

Carlos - Der Schakal

F/D 2010. Regie: Olivier Assayas. Mit Édgar

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