Werbung
Werbung
Werbung

In den schrecklichen Zeiten, aus denen wir kommen, galt es die Macht des Todes über unser armseliges Leben zu begrenzen. Brautleute, die vor den Altar traten, mussten dem Geistlichen schwören, dass sie einander treu bleiben werden, "bis dass der Tod euch scheidet", was mitunter eine nicht unerhebliche Einschränkung darstellte. In den prächtigen Zeiten, in die wir gehen, wird der Tod technologisch Schritt für Schritt abgeschafft. Es ist freilich anzunehmen, dass damit seine Macht keineswegs gebrochen, sondern vielmehr die Grenze zwischen Tod und Leben aufgehoben wird, dass also nicht der Tod, sondern das Leben an Bedeutung verlieren wird.

Dazu passt eine Nachricht, die uns letzte Woche aus Frankreich erreichte. In Nizza wurde eine Ehe geschlossen zwischen einer liebenden Frau und einem Mann, der bereits vor zwei Jahren verblichen war. Den Unglücklichen hatte ein Autounfall hinweggerafft, was ihn aber nicht daran hinderte, mit einer Sondergenehmigung des Staatspräsidenten postum zum glücklichen Bräutigam zu werden. Die Braut betrat das Standesamt als ledige Frau, um es nach innigem Zeremoniell als Witwe wieder zu verlassen.

Was der unbekannte französische Bräutigam zuwege brachte, hat ein Namenloser aus dem englischen Sheffield bei weitem übertroffen. Er wurde nämlich drei Jahre nach seinem Tod noch Vater. Als es mit ihm zu Ende ging, hatten die Ärzte der verzweifelten Frau, die sich eben anschickte, Witwe zu werden, einen letzten Wunsch erfüllt und dem Bewusstlosen etwas von jenem Saft abgezapft, den er bald nie wieder würde erzeugen können. Vom klinisch gut gewarteten Sperma ist übrigens genügend vorhanden, dass sich nach einiger Zeit noch ein paar Geschwister ausgehen werden. Ja, die Liebe, in den Zeiten der technischen Reproduzierbarkeit geht sie merkwürdige Wege.

Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung