Jeder für sich ein Star

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Deutsche Schauspielkunst überspielt das amerikanische Desaster: "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" im Rahmen der Festwochen am Wiener Volkstheater.

Warum schaltet Jürgen Gosch das Saallicht nicht ab? "Normalerweise geht das Licht aus und das Schlamassel beginnt", lautet die Antwort des Regisseurs, der heuer gleich mit zwei Inszenierungen bei den Festwochen vertreten ist. Sowohl bei seinem "Macbeth" als auch der viel gerühmten "Virginia Woolf"-Inszenierung nervt die Illumination im Publikumsraum ungeheuer. Und schützt keineswegs vor Langeweile. Goschs Angst, die Aufmerksamkeit der Zuschauer nicht halten zu können, ist durchaus berechtigt, auch wenn die medialen Vorschusslorbeeren und die tiefe Verbeugung vor dem Ensemble des Deutschen Theaters Berlin hierzulande vorauseilende Jubelstimmung erzeugten.

Gewiss, es spielt ein erstklassiges Team: Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Katharina Schmalenberg und Andreas Khuon zeigen Edward Albees Klassiker "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" als Studie hysterischer Ehrgeizlinge, die (leider auch in der Darstellung) selten in Beziehung zueinander treten. Weit nach Mitternacht werden der aufstrebende Biologie-Dozent Nick (Khuon) samt seiner bulimischen Frau Honey (Schmalenberg) Zuseher einer gepflegten Ehehölle, einer Show bloßgestellter Abhängigke ten.

In Goschs hochkarätig besetzter Inszenierung ist jeder für sich ein Star. Albees Gesellschaftsbild der 195er und 60er Jahre in Amerika gibt den formalen Rahmen für eine prätentiöse Selbst-Präsentation. Wie auch Johannes Schütz' leere Bühne, die keine Illusion zulässt. Die Wände eines bürgerlichen Wohnzimmers sind angedeutet, nur ein paar Stühle und Resopaltische liefern die Ausstattung für den nächtlichen Zweikampf im versnobten Intellektuellenmilieu. Allein die Vielzahl der Whiskey-, Brandy-und Gin-Flaschen beeindruckt und verweist auf die hemmungslose Trunkenheit der beiden Paare, die in zweistündiger pausenloser Echtzeit die Entblätterung wechselseitiger Demütigung praktizieren. Statt erotischer Hassliebe zwischen Martha (Harfouch) und George (Matthes) ist Körper-Akrobatik zu sehen. Keine verkorksten, erbärmlichen Helden des American Way of Life, sondern deutsche Staatsschauspieler im Scheinwerferlicht.

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