JFK, Scientology und ein Reisebus

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Ein Glücksfall: Die Grazer Oper zeigte erstmals seit 1918 wieder Gaetano Donizettis Oper "La Favorite" in der Pariser Fassung. Die traurige Lovestory spielt etwa um 1340 in Kastilien und Umgebung. Alphonse ist der König, verheiratet mit der Tochter des Priors von Santiago de Compostela. Dessen Sohn verliebt sich in eine schöne Unbekannte, ohne zu ahnen, dass sie die Favoritin des Königs ist. Als der Papst mit Exkommunikation droht, plant der König, seine Mätresse Léonor de Guzman mit dem Novizen zu verheiraten. Nichts an diesem historisch belegten Libretto wäre heutigem Publikum unverständlich.

Doch in Graz rückte der Brite Sam Brown die Geschichte in die Nähe von John F. Kennedy (oder gar Arnold Schwarzenegger) in die 1960er-Jahre und verwandelte den Pater Prior in einen evangelikalen Geistlichen oder gar Scientology-"Vater". Die "Aktualisierung" machte aus einer Landpartie der Mätresse eine Greyhound-Tour, auch ein Flughafen mit historischen TWA-Stewardessen wurde zum Blickfang, ehe eine Art Oval Office und endlich eine klösterliche Sargtischlerei für starke optische Effekte sorgten (Ausstattung: Annemarie Woods).

Exzellente musikalische Realisierung

Alles löste sich dank der exzellenten musikalischen Realisierung in Wohlgefallen auf. Das lag vor allem an der kundigen und feinhörigen Darstellung der kostbar instrumentierten Partitur durch den italienischen Jung-Maestro Giacomo Sagripanti. Kaum eine dramatische Steigerung ging da zuungunsten der vokalen Belcantisten in die Binsen. Im Gegenteil: So samten und farbintensiv hat man die deutsche Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser, die die Titelpartie mit dezentem Eros, stimmlicher Bravour und interpretatorischem Tiefgang ausfüllte, noch nicht gehört. Nicht weniger feinfühlig gestaltete Yijie Shi die tragische Tenorpartie des Fernand mit sicher gesetzten Gipfeltönen und viel italianità. Über ähnliche Vorzüge verfügte auch der Bariton Andrè Schuen als Alphonse.

Fast zu jung und eine Spur bassocantante-leicht meisterte Wilfried Zelinka den geistlichen Vater Balthazar, den Sagripanti vorsichtig über manche Klippen hob. Für Margareta Klobucar als "beste Freundin" und den in eine Sheriffmontur gesteckten Taylan Reinhard als Höfling Don Gaspar setzte Brown ein paar ironische bis intrigante Akzente. Prächtig die Chorstimmen der Doch-irgendwie-Klosterszenen. Für Kenner von Wohllaut und Gesangsbravour ist diese "Favorite" ein gefundenes "Raritätenfressen". (Hansjörg Spies)

La Favorite - Oper Graz 9., 11., 15., 23. Mai, 1., 11., 14. Juni.

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