Junge Lyrik trägt Früchte

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Das auf zwei Jahre angelegte Projekt "Babelsprech“ hat sich die Förderung neuer deutschsprachiger Lyrik zum Ziel gesetzt.

Rot und lindgrün leuchten die Äpfel von den unzähligen Plantagenbäumen neben den Gleisen der Regionalbahn, die durch die Täler Südtirols fährt. Schließlich legt sie einen kurzen Halt im Ort Lana-Postal ein. Kofferrollen erklingt.

Mit dem Zug sind die meisten der 29 nach Italien eingeladenen Dichter und Dichterinnen angereist. Auf Initiative der Literaturwerkstatt Berlin und des Literaturhauses Wien fand vor Kurzem der Auftakt für ein auf zwei Jahre angelegtes Projekt mit dem Titel "Babelsprech“ statt, das die Förderung junger deutschsprachiger Lyrik, eine bessere Vernetzung der Autoren sowie eine Stärkung der öffentlichen Wahrnehmung zum Ziel hat.

Schreiben braucht Anerkennung

Der länderübergreifende Diskurs trägt bei zu einer Selbstverständigung der jungen Lyrikgeneration. Beteiligt an dem Projekt sind fünfzehn Dichterinnen und Dichter aus Deutschland, sieben aus Österreich, sechs aus der Schweiz und ein Lyriker aus Südtirol. Die Teilnehmenden wurden von den Kuratoren Max Czollek (Deutschland), Robert Prosser (Österreich) und Michael Fehr (Schweiz) eingeladen. Auswahlkriterien waren der Jahrgang (nach 1980) und die Abbildung einer Vielfalt poetischer Positionen. Schreiben gehe nicht ohne Anerkennung, denn irgendwann erschöpfe sich der Idealismus, so Autor und Gründungsmitglied des Berliner Autorenkollektivs G13 Max Czollek. Doch wie kann die Lyrik wieder präsenter im Literaturbetrieb werden?

Gedimmtes Licht zeichnete an den Abenden in Südtirol elliptische Schatten in die Gesichter der Teilnehmenden, die an den Lippen der Vortragenden hingen. An jedem der drei Tage in Lana wurden in der Bibliothek der Stadt Lesungen gehalten, sodass jeder einen kleinen Einblick in die Arbeit der anderen bekommen konnte. "Man kann die Ohren nicht so leicht verschließen wie ein Buch, indem man es zuklappt“, so Autorin Anja Utler in ihrem Impulsvortrag zum Thema Performanz. Sie verglich im Zuge dessen Gedichte mit Liebeserklärungen. "Es ist schließlich das Verlangen des Dichters in seinen Werken, genau das genau so zu sagen“, so Utler. Werde dieses Verlangen in einer Lesung nicht spürbar, habe man als Sprecher versagt.

Der 28-jährige Dichter mit Künstlernamen Oravin setzt bei seinen Auftritten vor Publikum nicht auf die "Wasserglas-Lesung“, sondern auf Multimedialität. Der gebürtige Leobner schreibt lyrische Texte, welche er in Performances mit elektronischer Musik und Videos untermalt. "Die Medien Film und Musik sollen das Assoziationsfeld des Textes erweitern“, so Ovarin, dessen Pseudonym übrigens aus dem Finnischen herrührt und quasi den Superlativ von "Eichhörnchen“ bildet. "Ja, im Finnischen ist das möglich“, erklärt der Österreicher schmunzelnd beim Streifen durch die Obstbaumplantage. Auf die Frage, was er von dem Projekt "Babelsprech“ halte, meinte Ovarin: "Es ist für mich sehr aufschlussreich, Leute kennenzulernen mit denselben literarischen Interessen, aber unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen im Lyrikbetrieb, der auch national variiert.“

Bahnfahren und Gedichte lesen

Bedingungen und Möglichkeiten aktueller Lyrik im deutschsprachigen Raum wurden schon in der ersten Diskussionsrunde thematisiert. Wie schwierig es wirklich ist, einen Verlag zu finden, und dass man sich keine großen Hoffnungen machen sollte, von der Lyrik leben zu können, machte Thorsten Arendt, Lektor beim Wallenstein Verlag, deutlich. Im Lyrikbetrieb gibt es zugegeben wahrscheinlich mehr Produzenten als Konsumenten. Im Zuge des Projekts Babelsprech ist die Herausgabe einer Anthologie im Jahr 2015 geplant. Von den Veranstaltern wurde außerdem die Website "Babelsprech.org“ eingerichtet - ein von den drei Kuratoren betreutes Internetportal, das als Plattform junger Lyrik fungieren soll, die den gesamten deutschsprachigen Raum umfasst.

Rot und lindgrün leuchten die Äpfel der Plantagenbäume noch einmal im Morgenlicht - wie zum Abschied, ehe sie von fleißigen Händen abgeerntet werden. Erneut erklingt Kofferrollen, und die Regionalbahn fährt ab. Was eignet sich besser als Reiselektüre denn ein Gedichtband für die nächste Zugfahrt?

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