Kein Untergang im Alpenland

Werbung
Werbung
Werbung

Werner Pirchner, Komponist, Musiker, künstlerisches Multitalent ist bereits 13 Jahre tot. Der Film "D.U.D.A.!“ ruft ihn zu Recht in Erinnerung.

Dem Radiomacher Richard Goll sei Dank: 1994 konzipierte er gemeinsam mit einem Komponisten und Universalkünstler die Signations des ORF-Kulturradios völlig neu. So kommt es, dass Werner Pirchner allen Ö1-Hörern bis heute jedenfalls klanglich im Ohr ist. Und damit man auch über Werner Pirchner, den Menschen und den, wie man heute so schön sagen würde, Kreativen, wieder Bescheid weiß, hat der Berliner Filmemacher Malte Ludin dem 2001 im Alter von 61 Jahren an Krebs Verstorbenen ein filmisches Denkmal gesetzt. Keineswegs zu früh, denn die Erinnerung an Werner Pirchner holt auch den kulturellen Umbruch ins Gedächtnis zurück, der Österreich im Allgemeinen und Tirol im Besonderen rund um die 1970er-Jahre durchwehte.

Kunst gegen schlimme Zustände machen

"D.U.D.A.!“, der Titel der filmischen Pirchner-Hommage, ein "musikalischer Dokumentarfilm“, wie es im Untertitel heißt, führt schon mitten in dieses Geschehen. Denn das Akronym bezieht sich auf den Film "Der Untergang des Abendlandes“, den Werner Pirchner gemeinsam mit Christian Berger 1974 für den ORF gemacht hatte. Dem Duo gelang es, in einer Art alpenländischer Monty-Python-Abfolge hintergründig wie brachial-humorig am Tiroler Wesen zu genesen.

Berger, mittlerweile als Michael Hanekes Kamermann zu internationalem Ruhm und einer Oscar-Nominierung gelangt, ist einer derer, die in "D.U.D.A.!“ an Werner Pirchner erinnern. Dazu auch der Geigenvirtuose Christian Altenburger, der auf einer Alm Pirchner spielt, oder der Kontrabassist Georg Breinschmid, die Schauspieler und Kleinkünstler Josef Hader und Erwin Steinhauer; mit dabei auch der unvermeidliche André Heller, der, bescheiden, wie er nun einmal ist, zum Besten gibt, dass er den Werner Pirchner weiland finanziell über die Runden geholfen hat. Und besonders berührend Julia und Tobias Moretti sowie Felix Mitterer, denen man anmerkt, wie nahe ihnen Werner Pirchner auch 13 Jahre nach seinem Tod noch steht.

Er sei aus dem Volk gekommen, hat Mitterer bei seiner Grabrede für Pirchner 2001 gemeint und sei mit seinen "auch politischen und moralischen Absichten beim Volk geblieben, ganz ohne Wollen, ganz selbstverständlich“.

Mitterer sprach damals von Pirchners Überzeugung, "Kunst nicht im leeren Raum zu machen, nicht nur Kunst um der Kunst willen, sondern Kunst gegen schlimme gesellschaftliche Zustände, Kunst für eine bessere Welt, in der wir uns nicht mehr umbringen und gegenseitig knechten und den Nächsten ausbeuten und den Fremden - wer immer das ist - außer Landes oder umbringen …“ Malte Ludins Film "D.U.D.A.!“ bringt Werner Pirchner genau in besagtem Sinn näher.

Wer aber war dieser halb vergessene Werner Pirchner? 1940 im Tiroler Hall geboren, Autodidakt, aber später alles andere als ein Amateur gewesen. Zunächst wurde er als Jazz-Musiker bekannt, ab 1963 als Vibraphonist des Oscar-Klein-Quartetts, gut ein Jahrzehnt später trat er mit dem Jazz-Gitarristen Harry Pepl als "Pirchner-Pepl-JazzZwio“ auf und gehörte in seinen Anfängen auch dem "Vienna Art Orchestra“ an.

Vom U-Musiker zum E-Musik-Komponisten

Die bleibende "Leistung“ Werner Pirchners liegt aber darin, dass er als Musiker die Genregrenzen zwischen so genannter E-Musik und der U-Musik geradezu spielend überwand. Und als Künstler gelang ihm derartige Grenzüberschreitung auch hin zu anderen Kunstgattungen - Film, Literatur, Theater - selbst wenn er in der öffentlichen Wahrnehmung ein Vollblutmusiker blieb - einer, der sich mit Haut und Haaren den Tönen verschrieben hat.

1973, ein Jahr vor dem "Untergang des Abendlandes“ machte er mit der Schallplatte "ein halbes doppelalbum“ Furore und erreichte bei den damals aufmüpfigen Jungen Kultstatus. In den folgenden Jahren etablierte er sich mehr und mehr als Komponist, schrieb Stücke auch und gerade für "klassische“ Musiker - und trat gleichzeitig beim Jazzfestival in Montreux auf.

"In meiner Jugend orientierte ich mich an der jeweils neuesten Jazzmusik. Die Beschäftigung mit den Theorien Schönbergs und vor allem mit Bachs Sonaten für Violine solo haben mir später andere Wege des Ausdrucks eröffnet. Bis zu meinem 42. Lebensjahr hätte ich aber aus Respekt vor den größten Meistern nicht gewagt, auch nur einen Ton für ein klassisches Konzert zu schreiben.“ So hat es Pirchner einmal selber charakterisiert. Er beschäftigte sich theoretisch auch mit Brahms und Schubert, setzte sich mit den damaligen Neutönern wie John Cage auseinander und wurde beinahe en passant zu einem führenden Komponisten einer "österreichischen“ Moderne. Er schrieb so Musik für Film und Theater, auch einige schräge Werbespots sind darunter, Jean-Luc Godard verwendete Pirchner-Kompositionen für seinen Film "Nouvelle Vague“ (1990).

Der Autodidakt als Perfektionist: Sowohl im Kompositorischen als auch beim Sounddesign erwies er sich als Besessener. Felix Mitterer erzählt etwa, wie Pirchner jahrelang nach dem richtigen Geiger gesucht habe oder miserable Tonanlagen aus allen Wiener Theatern geworfen habe. Mitterer: "Das ‚halbe doppelalbum‘, 1996 auf CD überspielt, musste natürlich klingen wie das Original-38er-Band, seinen Leib-Tontechniker Hanno Ströher schleppte er deshalb durch die Gegend, von Innsbruck bis Bratislava …“

Österreichs Eigenart Ausdruck gegeben

Der Unangepasste wurde scheinbar arriviert, aber seine Musik blieb es nicht -, sei es bei der musikalischen Umrahmung von Fritz von Herzmanowsky-Orlandos "Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter ("Do you know Emperor Joe?“), über das Erwin Steinhauer in der filmischen Hommage "D.U.D.A.!“ erzählt. 1995 komponierte Pirchner für die Salzburger Festspiele die Musik zum "Jedermann“, fürs Neujahrskonzert 2000 schrieb er die Pausenmusik, aus demselben Jahr stammt seine Neukomposition der Fanfare der Wiener Festwochen.

Die so steigende Bekanntheit konnte Pirchner aber kaum mehr auskosten, weil ihn am 10. August 2001 seine Krankheit hinwegraffte. Der Pianist Claus Christian Schuster meint im Film: "Es ist kein Zufall, dass Österreichs mediale Visitenkarte auf dem Gebiete der Musik, das Radioprogramm Ö1, ausgerechnet Werner Pirchners musikalische Unterschrift trägt: Kein anderer österreichischer Komponist der Gegenwart hat fernab von partikularistischem Provinzialismus der Eigenart seines Landes so originellen und unverwechselbaren Ausdruck gegeben.“ Dieser Einschätzung ist nichts hinzuzufügen.

D.U.D.A.! Werner Pirchner

A/D 2014. Regie: Malte Ludin. Mit Christian Berger, André Heller, Josef Hader, Felix Mitterer, Julia & Tobias Moretti, Elfriede Pirchner, Erwin Steinhauer. Filmladen. 84 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung