Kirchenraum als Ort der Gemeinschaft

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Ein Professor aus Wien ist mit einem voll bepackten Auto unterwegs nach Bayern. Just zu dem Zeitpunkt als sich viele Leute anschicken, gegen die Atomstromlobby in Wackersdorf zu protestieren. Der Professor wird aufgrund erhöhter Alarmbereitschaft an der Grenze genauer gecheckt, die Beamten wollen wissen, welches Material er da mit sich führt. Der Professor ist unterwegs zu einer Kirchenbauveranstaltung, und wie immer in solchen Fällen, hat er diverse Utensilien dabei, um mit den Teilnehmern Einsichten zu erarbeiten, was im bloß theoretischen Trockentraining nicht möglich wäre. Und wie es sich für einen ehrlichen Professor gehört, antwortete er den Grenzpolizisten unerschrocken: "Demonstrationsmaterial." Man kann sich vorstellen, dass sein Erklärungsbedarf sprunghaft anstieg. Dafür bekamen die Grenzer eine Gratiseinführung in Sachen Kirchenbau.

Der Professor war Herbert Muck. Und dieses "war" gilt im doppelten Sinn, nicht nur bezogen auf die Eingangsgeschichte, sondern auch auf Herbert Muck selbst. Dessen ganze Geschichte begann 1924 in Wien. Nach der Matura studierte er zunächst Malerei und dann auch Philosophie und Theologie in Wien, München, Barcelona und Innsbruck - und trat bei den Jesuiten ein. Um diese Ausbildung noch abzurunden, entschloss sich Muck, noch Kunstwissenschaft, Kunstgeschichte und Archäologie dranzuhängen. Es verwundert nicht, dass der umtriebige Jungakademiker auffiel. Da nach wie vor viele Kirchenneu- und -umbauten zu tätigen waren und von Seiten der Architektur durchaus Nachfrage nach fundiertem Hintergrundwissen gegeben war, holte der damalige Doyen unter den Architekten Österreichs, Clemens Holzmeister, Herbert Muck an die Akademie der bildenden Künste in Wien. Dort leitete er 1960-94 das Institut für Kirchenbau und sakrale Kunst, das er allerdings nach einiger Zeit in den programmatischen Namen "Institut für Verhalten und Raum" umtaufte. Neben seinen Aktivitäten an der Akademie trat Muck in Fachzeitschriften wie den Christlichen Kunstblättern (heute Kunst und Kirche) als kompetenter Autor in Erscheinung, erstellte unzählige Planungsgutachten für diverse Kommissionen aus vielen Diözesen und organisierte Kirchenbauausstellungen.

Die kleine Geschichte zu Beginn entbehrt nicht einer gewissen Symptomatik, denn in der Durchsetzung seiner Vorschläge für einen zeitgemäßen, aber nicht anbiedernden Kirchenbau musste Herbert Muck ebenso die eine oder andere Grenzmarke überwinden.

Für ihn war der Kirchenraum ein Ort des Gemeinschaftshandelns der Kirche, dem die Architektur zu dienen hatte. Muck teilte den Gesamtraum einer Kirche in unterschiedliche Handlungszonen ein, für die je nach den spezifischen Notwendigkeiten in mitunter mühsamen Gesprächen zwischen Architekten, Bildhauern, Malern und der konkreten Kirchengemeinde die besten Lösungen zu finden waren. Die Überwindung der Diskrepanz zwischen der langen Gewöhnung der Gläubigen an einen Raum, der nur eine Richtung - von der Eingangstür zum Hochaltar - kennt und des von Muck im Gegensatz dazu mit guter historischer Absicherung und im Geiste des II. Vatikanischen Konzils geforderten Kirchenraums mit mehreren Zentren, blieb eine Lebensaufgabe.

Seit 1997 lebte er mit seiner Frau Brigitte im burgenländischen Pött- sching: Am 1. Februar ist Herbert Muck verstorben. Hartwig Bischof

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