Kosmische Kräfte

Nur ein Schritt - und man wähnt sich im Mittelalter: schwere Gewölbe, gedrungene Säulen, Teile der Wände im bachsteinernen Urzustand belassen! Im traditionsreichen Stift Wilten, Innsbruck, wurden zwei Kellerräume aus dem 12. Jh. mit viel Kunstsinn revitalisiert und neuen Aufgaben zugeführt. Entstanden sind die Marquardkapelle, benannt nach dem ersten Wiltener Abt, und der Wernhergebetsraum, der den Namen eines seiner Nachfolger trägt. Der Innsbrucker Bildhauer Peter A. Bär (derzeit im Waldviertel lebend) stattete die Kapelle mit Altar und Ambo aus der grobkörnigen Höttinger Breccie aus.

Anläßlich der Kapelleneinweihung durch Abt Raimund Schreier (Festvortrag: Universitätsprofessor Ph. Harnoncourt, Universität Graz) stellte der Künstler auf Anregung des Arbeitskreises "Kunstraum Kirche" im kleinen Wernhersaal eine beeindruckende Auswahl seiner Werke vor, zumindest bis 3. April (vielleicht nach Ostern wieder).

Ein Hauch von "Kontemplation und Aktion" - wie die Praemonstratenser Spiritualität laut Abt Schreier zusammenfassend ausgelegt werden könnte - liegt auch über Altar und Ambo, deren massiges Material und gelassene Formen der transzendenten Stimmung im spätromanischen Gewölbe folgen. Die Dichte der Atmosphäre findet in den abstrakten Exponaten ihre Entsprechung. Die edlen Steingebilde, an denen der Bildhauer ohne Entwurf arbeitet, sind aus Höttinger Breccie, Osttiroler Serpentin und unterschiedlichem Marmor geholt. Ihre klare Ästhetik und verhaltene Spiritualität erinnert an sakrale Urformen. Bärs archaisch anmutende "Steine" scheinen trotz ihrer Schwere den Boden nur leicht zu berühren; beinah spürbar strömen kosmische Kräfte aus ihrem Innern! In starken oder auch sehr feinen Linien von der Natur gemasert, vom Künstler geformt, teils mit dem Spitzeisen behauen, teils von langer Hand poliert, bestätigen sie einmal mehr, daß zeitgenössische Kunst durchaus ihren Platz im Sakralraum behaupten kann.