Künstler wie Kanaldeckel

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Die Sprachskulpturen des amerikanischen Künstlers Lawrence Weiner in der BAWAG-Foundation, wo seine subversiven Spiele derzeit eine besondere Brisanz entfalten.

Zerschmettert in Stücke, im Frieden der Nacht." Ein in Englisch und Deutsch formulierter Satz, der seit über zehn Jahren das Stadtbild Wiens prägt. Zu lesen ist der unverkennbare Schriftzug des 1942 in New York geborenen Künstlers Lawrence Weiner am Flakturm im Esterházypark. Erst im vorigen Frühjahr wurde er anlässlich des Gedenkjahres für 80.000 Euro neu renoviert. Die Markierung des öffentlichen Raums ist charakteristisch für Weiners gleichermaßen künstlerische wie politische Vorgangsweise. Durch seine poetisch-pointierte Akzentuierung verschiebt sich die Bedeutung des mit dem nationalsozialistischen Regime verbundenen Baus. Aus einem Betonbunker wird ein pazifistisches Mahnmal.

NS-Bunker wird Mahnmahl

Weiner verwendet Sprache als "bildhauerisches Material", dabei geht es ihm vor allem um die Kommunikation mit den Betrachtern - er selbst will als Künstler so weit wie möglich im Hintergrund bleiben, wie er einmal meinte: "Es ist nicht notwendig, auf den Künstler hinzuweisen. Es ist wie mit den Kanaldeckeln in New York oder dem Flakturm in Wien - diese Arbeiten nehmen ihre endgültige Gestalt erst in der Öffentlichkeit an. Manchmal sprechen Leute auf der Straße, die nicht wissen, wer ich bin, mit mir über eine Arbeit, so als ob sie die Skulptur eines unbekannten Künstlers wäre."

Mehr von Lawrence Weiners konzeptuellem Denken bekommt man jetzt in der BAWAG Foundation vermittelt. Unter dem Titel "X Y & Z" präsentiert Weiner hier zwei neue Wandarbeiten und ein Künstlerbuch. Dabei ist das Buch genauso bedeutend wie die raumgreifenden Textinstallationen. Zu Weiners konzeptuellem Ansatz gehört der Gedanke, dass ein Kunstwerk genauso auf einem Blatt Papier, im öffentlichen Raum oder auf einer Galeriewand realisiert werden kann. Oder es kann auch gar nicht ausgeführt werden, wie er 1969 in seinem "General Statement" formulierte: "1. Der Künstler kann das Werk bauen. 2. Das Werk kann angefertigt werden. 3. Das Werk braucht nicht ausgeführt werden."

BAWAG-Foundation-Leiterin Christine Kintisch konnte nicht ahnen, dass die Weiner-Ausstellung gerade in die Hochblüte des BAWAG-Skandals fallen würde. Passend erscheint die Auswahl des Konzeptkünstler-Stars dennoch. Denn inhaltlich geht es in "X Y & Z" um die Infragestellung von Hierarchien und Ordnungen, auch um das Verhältnis von nichts und etwas. "Spezifische Masse auf dem Weg hinauf auf dem Weg hinab", liest man in dem Künstlerbuch und kommt nicht hinweg, über diesen Satz vor dem Hintergrund der "BAWAG-Affäre" zu schmunzeln. Weiner sucht stets um Alternativen zu einem binären Denken. Für dieses "Dritte" steht das "Z" - mit "X" und "Y" ist es durch ein "&"-Zeichen verbunden.

Sprache, Raum und Farbe

Kennt man Weiners Arbeiten im öffentlichen Raum, so kann man sich kaum vorstellen, wie diese politisch subversiven Arbeiten in einem glatten Galerieraum mit Spannteppich funktionieren sollen. In der Ausstellung selbst wird man eines Besseren belehrt. Weiner geht gekonnt mit den schwierigen räumlichen Gegebenheiten um, indem er die Ausrichtung des schmal ansteigenden Raums in den Wandarbeiten durch farbkräftige Diagonallinien wiederholt.

Die Lawrence-Weiner-Schau erfordert ein hohes Maß an Auseinandersetzung. Wer Freude am Spiel zwischen Sprache, Raum und Farbe hat, der kann der Präsentation sicherlich viel abgewinnen. Und wenn der Besuch nur dazu motiviert, darüber nachzudenken, warum man im Falle von Lawrence Weiners Arbeiten von bildender Kunst und doch nicht von Literatur (die deutschen Übersetzungen stammen vom Schriftsteller Ferdinand Schmatz) oder Wissenschaft spricht, dann wäre - zumindest im Sinne des Künstlers - das Ziel schon erreicht.

LAWRENCE WEINER - X Y & Z

BAWAG Foundation

Tuchlauben 7a, 1010 Wien

www.bawag-foundation.at

Bis 27. 5. Mo-Sa 10-18 Uhr

Katalog hg. v. Christine Kintisch, e 20.-

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